Full text: Lehr- und Lesebuch für Fortbildungs- und Sonntagsschulen

71 
Ausnahmen abgesehen — das rege Interesse für den Obst- 
bau; es fehlt die Kenntnis der richtigen Obstsorten und deren 
Verwertung; es fehlt vor allem die Überzeugung, daß der Baum 
als Kulturpflanze in allen seinen Teilen einer dauernden und 
sachgemäßen Pflege bedarf, ohne die seine Erträge unsichere und 
geringe bleiben müssen. 
Betrachten wir zunächst die Kronell unserer älteren Obst¬ 
bäume. Fast überall finden wir zu dicht stehende Äste, kranke 
und abgestorbene Teile, tierische und pflanzliche Schmarotzer, 
Aststumpfe und Löcher u. dgl. m. Es gibt also Arbeit in Menge, 
und sobald der Herbst ins Land zieht, ist die Zeit dafür gekommen. 
Wir brauchen nichts als eine Leiter, eine gute Säge mit dreh¬ 
barem Blatt und ein bißchen Geschick uns in das lebendige 
Dasein des Baumes hineinzudenken. Alles, was zu weit nach 
unten hängt und die Bearbeitung des Bodens hindert, was nach 
innen wächst, sich kreuzt und reibt, was krank und dürr ist und 
als Brutstätte für unzähliges Ungeziefer gelten muß, wird sauber 
entfernt. Aststumpfe, Wasserschosse, Äste mit Mistelbüschen kommen 
in Wegfall und zu dicht stehende Partien werden derart aus¬ 
gelichtet, daß eine gleichmäßige, locker gebaute Krone entsteht, an 
der jedes Blatt und jede Blüte von der sauerstoffreichen Luft 
und dem lebenerweckenden Sonnenlicht bespült werden kann. 
Dadurch wird der Baum widerstandsfähig gegen Wind und 
Sturm und zugleich zu stärkerem Wachstum und zur Hervor¬ 
bringung größerer und besserer Früchte angeregt. Natürlich sind 
die Äste genau an ihrer Entstehungsstelle abzuschneiden und die 
Schnittflächen mit Ölfarbe zu bestreichen um die Ast- und 
Stammfäule, die so oft das Leben der Bäume gefährdet, zu 
verhindern. 
Zeigt ein Baum aus Altersschwäche wenig Trieb an den 
Spitzen der Krone, während er sonst noch gesund erscheint, so 
schneidet man ihm sämtliche Äste auf die Hälfte ihrer Länge 
zurück und zieht aus Wasserschossen und neuentstehenden Zweigen 
eine junge Krone. Auch unfruchtbare Bäume und solche, die 
nur minderwertiges Zeug hervorbringen, werden in gleicher Weise 
behandelt und mit bewährten, reichtragenden Sorten umveredelt. 
Hierbei sind sie in der Weise zu formieren, daß die siehenbleibenden 
Äststücke den Grundstock für eine regelmäßige Krone bilden. Zug¬ 
äste sind entbehrlich; es genügt vielmehr, wenn jedem Aste einige 
kleine Zweige bis zum nächsten Jahre erhalten bleiben. Vom 
Januar bis April kann die Umveredlung mittels des Geißfuß» 
schnittes und später durch Pfropfen hinter die Rinde vollzogen 
werden. Bald beginnen die Reiser kräftig zu treiben. Damit 
sie aber durch Vögel und Stürme nicht Schaden leiden, bindet
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.