Full text: Fortbildungsschulkunde

2. Die Disziplin in der Fortbildungsschule. 239 
Geschick verfügt, sondern auch das Lferz auf dem rechten Fleck hat. Denn 
wenn es heißt: „Unterwinde sich nicht jedermann, Lehrer zu sein!" so 
gilt das in ganz besonderem Maße für die Fortbildungsschullehrer. 
Denn Fortbildungsschüler lassen sich nicht mehr wie Schuljungen be¬ 
handeln. Das Rüstzeug der „Regierung", das der Lehrer in der Volks¬ 
schule benutzt und benutzen muß, läßt in der Fortbildungsschule im Stich. 
Das keimende Selbständigkeitsgefühl der Schüler muß respektiert werden, 
und wer das nicht tut, hat vielleicht in der Schule allenfalls Ruhe und 
Ordnung, übt aber auf den Eharakter der Schüler einen nachteiligen 
Einfluß aus. Die Schüler eines solchen Lehrers entschädigen sich für den 
Druck, den sie erdulden müssen, sobald sie der Schule den Rücken gekehrt 
haben, durch um so größere Unbotmäßigkeit. Ein solcher Lehrer gehört 
nicht in die Fortbildungsschule, ebensowenig wie ein Lehrer, der in jedem 
Lächeln der Schüler, in jeder nicht ganz korrekten Haltung, in jeder kleinen 
Unart eine Auflehnung gegen seine Autorität erblickt, die mit strengsten 
Strafen geahndet werden müsse. Mit Bestrafungen muß der Fortbildungs¬ 
schullehrer überhaupt ungemein sparsam sein, damit er nicht vorzeitig sein 
gröbstes Geschütz auffahren muß und dann den Schülern machtlos gegen¬ 
über steht. Denn eine körperliche Züchtigung, zu der ein solcher Lehrer 
sich dann so leicht hinreißen läßt, muß in der Fortbildungsschule ein- für 
allemal ausgeschlossen sein. Sie verletzt nicht nur das Ehrgefühl des 
Schülers in hohem Maße und unterdrückt es vielleicht ganz, sondern sie 
entehrt auch den Lehrer. Zunächst muß dieser sich selbst beherrschen können, 
ehe er vom Schüler Selbstbeherrschung verlangen kann. 
Das beste Mittel aber zur Erziehung der Fortbildungsschüler ist deren 
Ehrgefühl. Das muß in jeder Beziehung gepflegt werden, damit der Schüler 
auch da, wo der Lehrer mit seinen Strafmitteln nicht hinter ihm steht, 
sich nicht zu Handlungen hinreißen läßt, deren er sich bei besserer Über¬ 
legung^ schämen muß. Der Gehorsam in der Fortbildungsschule muß mit 
der Zeit ein freiwilliger werden, ein Gehorsam, der nicht nur durch Ge¬ 
waltmittel erzwungen wird, sondern der durch die Gewöhnung des Schülers 
an gute Sitten und anständiges Verhalten, durch seine Einsicht in die 
Notwendigkeit eines solchen Verhaltens hervorgebracht ist. 
Damit dieses Ziel erreicht wird, muß der Lehrer vor allem ein £7^5 
für seine Schüler und ein Verständnis für ihre kleinen Schwächen, daneben 
aber auch unbeugsame Energie und Konsequenz besitzen. Der strenge 
Lehrer ist zwar gefürchtet, wird aber zugleich auch gehaßt, wenn die Schüler 
empfinden, daß er für sie kein kj^rz besitzt, wenn aber die Strenge sich 
nicht als Bestrafungssucht äußert, sondern als ein zielbewußtes LjaÜen 
auf die Beobachtung von Sitte und Anstand, wenn der Schüler merkt,
	        
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