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in der achten Volksschulklasse die Möglichkeit durchaus geboten,
nachdem bereits das 6. und 7. Schuljahr gewisse einfache geome¬
trische Grundbegriffe praktisch behandelt hat. Es hat eine Theorie
der Methode gegeben und gibt sie teilweise heute noch - ich er¬
innere an die Kulturstufentheorie und an die Theorie der Kon¬
zentration und des Gesinnungsunterrichtes —, welche das Gegen¬
teil tat von dem, was hier vorgeschlagen ist, welche die natürlichen
Einheiten der Unterrichtsfächer zerriß und die Stoffe einem will¬
kürlich gewählten Lehrplanzentralpunkt zuordnete. So lange das
Kind noch auf der Stufe des Kindes steht, so lange es also von
der Erscheinungswelt zu unmittelbarer Reaktion veranlaßt wird,
so lange die Reflexion über das Verhältnis von Mittel und Zweck
sich noch nicht zwischen den äußeren Reiz und die schließliche
Handlung stellt, so lange ist gegen eine absichtliche Ignorierung
der verschiedenen Wissensgebiete als Lehrplanfächer nicht nur
nichts einzuwenden, sondern sie ist sogar zu fordern. Diesem
Umstande tragen auch die Lehrpläne der ersten vier Volksschul¬
klassen durchaus Rechnung mit ihrem Anschauungsunterricht in
den zwei ersten Klassen und ihrem heimatkundlichen Unterricht
in den zwei Mittelklassen. Aber mit dem 11., 12. Lebensjahre be¬
ginnt von selbst in den normalen Kindern die Reflexion sich ein¬
zuschalten und von selbst kristallisieren sich die Erfahrungstatsachen
langsam um gewisse Mittelpunkte und dann wäre es eine Ver¬
nachlässigung sowohl des psychologischen als des logischen Ge¬
sichtspunktes der Methode, wollte man auf dem Standpunkt der
ersten vier Schuljahre verharren.
Nach diesen allgemeinen Betrachtungen über Methode lassen
Sic mich nun zum eigentlichen Gegenstand unserer heutigen Zu¬
sammenkunft übergehen, zur Geometrie. Die Grundlagen der
Geometrie sind strenge Begriffe. In der Formulierung dieser
Begriffe, in dem steten Zwang, sich die wesentlichen Merkmale
des Begriffes immer vor Augen zu halten und sie bei den Schlu߬
folgerungen zu berücksichtigen, liegt der Erziehungswert zum logi¬
schen Denken.
Lassen Sie mich dies an dem Begriff der geraden Linie
zeigen! Jeder Schüler hat zunächst aus der Erfahrung eine rohe
Vorstellung von dem, was gerade Linie ist. Aber er hat gar
keine Vorstellung von dem, was eine gerade Linie im Sinn der
Geometrie ist. Indem er lediglich seinen rohen, empirischen Be-