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Herzen. Sie ließen Usedom sogleich herbeirufen, der sich nicht
wenig wunderte, als er seinen Schimmel an der Klageglocke sah.
Er wollte sich über seine Hartherzigkeit rechtfertigen; allein die
Richter fällten folgendes Urteil:
„Die Rügenglocke hat getönt,
der Kläger stehet hier;
durch nichts wird eure That beschönt,
und so gebieten wir,
daß ihr sogleich das treue Pferd
in euren Hausstall führt,
und bis an's Ende pflegt und nährt,
wie's euch als Christ gebührt.“
So mußte der Kaufmann den Schimmel wieder zu sich
nehmen; es ward auch ein Mann gesetzt, der bisweilen nachsah,
ob der Schimmel keine Not litt. An dem Glockenhause bildete
man aber in Stein zum Andenken die ganze Geschichte ab.
Harnisch.
133. Das treue Roß.
1. Ich habe mein Roß verloren,
mein apfelgraues Roß,
es war so treu im Leben,
kein treueres wird es geben,
im ganzen Zug und Troß!
2. Und als es wollte sterben,
da blickt' es mich noch an,
als spräch's mit seinen Mienen:
„Kann dir nicht weiter dienen,
ade, mein Reitersmann.“
3. Und als es war gestorben,
da grub ich's ehrlich ein
wohl unter grünen Matten
in eines Lindenbaums Schatten,
das soll sein Denkmal sein!