Full text: Für Mittelklassen (Stufe 2)

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Feuer Feuer! — hnt es endlich in die Olren der sehlaf— 
trunkenen Fremdlinge, und siehe, das ganze Haus ist schon in hellen 
Flammen. Was die Glut nicht faßt, stürzt aus den Fenstern auf die 
Straßen, voran die Mütter mit ihren Säuglingen in ihren Armen, 
dem Feuertode zwar entrinnend, nur um vom Tode grausamer Zer— 
schmetterung verschlungen zu werden. Der Morgensonne Licht und 
Pracht fanden das palastartige Gasthaus vom Feuer verschlungen, ver— 
wandelt in den Hügel eines großen Grabes. 
Woher dieser Brand, der herzzerschneidende Jammerscenen an— 
gerichtet hat? so fragt sich die bestürzte Menge, und Vermutungen 
lassen den Brand bald aus dieser, bald aus jener Ursache entstehen. 
Der wahre Zunder dieser grausigen Flammen blieb im geheimnisvollen 
Dunkel der Nacht. — Endlich zieht man die verkohlten Leichen hervor, 
wie grausam auch entstellt, noch immer die Spuren ihres fürchterlichen 
qualvollen Todes in den verstümmelten Zügen erkennbar tragend. Nur 
eine findet sich unter allen, die mit dem Bette aus dem dritten Stock— 
werke, wo das Feuer zuerst ausgebrochen, herabgefallen und vom Brande 
ganz unversehrt geblieben ist. Sie schwimmt in ihrem Blute, ist ohne 
Kopf und trägt die Zeugnisse eines Kaufmanns bei sich, der etliche 
tausend Dollars auf seinem Zimmer hatte. Siehe, wie wunderbar der 
rächende Finger unseres Gottes den schwarzen Schleier des boshaften 
Geheimnisses zu enthüllen weiß! Was bis dahin kein Mensch zu glauben 
wagte, enthüllt sich aller Augen als furchtbare Wahrheit: Durch teuf— 
lische Bosheit ist das schreckliche Unglück angerichtet! Bald ist auch 
der Verbrecher entdeckt in dem nachbarlichen Schlafkameraden jenes 
unglücklichen Mannes, der durch Brandstiflung die Schandthat seines 
Raubmordes in ewige Nacht zu hüllen gedachte. Viele unglückliche 
Opfer konnte er mit dem Hause verbrennen, nur den einen mußte der 
sichere Sünder unversehrt lassen, um dessen willen er alle anderen ver— 
brannte, der noch im Tode als Zeuge wider ihn stehen sollte. 
b5. Wer andern eine Grube gräbt, fällt oft selbst hinein. 
Zwei Gesellen, ein getreuer und ein ungetreuer, hatten zusammen 
Korn gekauft, und da sie es nicht gleich nach Hause schaffen konnten, 
so schütteten sie es einstweilen zu zwei Haufen in einem Speicher auf. 
Jener aber, der ein Schalk war gedachte den andern des Nachts um 
dessen Teil zu betrügen; deshalb machte er sich an einen dritten, der 
ihm an Ehrlichkeit gleich stand, und versprach ihm die Hälfte des ge— 
stohlenen Kornes, wenn er ihm beim Wegnehmen wolle behilflich sein. 
Damit er aber in der Dunkelhei den fremden Haufen von dem eigenen 
unterscheiden möge, so legte er auf denselben seinen Mantel. Indes 
am Abend noch kam der i e in den Speicher, sein Korn 
zu hesehen, und da er den Manlel des Gefährten auf dem eigenen 
Haufen liegend fand, rührte ihn dies und er sprach zu sich Wie treu 
meint es mein Geselle mit mir, daß er sein Kleid über mein Korn vor 
dem seinen hinbreitet, auf daß nichls Unteines dazu komme, aber nein 
das will ich nicht!
	        
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