Full text: Kurze Darstellung der deutschen Geschichte für Volksschulen

Schilderung des Mittelalters. 103 
um zog er einen Graben mit Zugbrücken, und je dicker er 
die Mauern machen, je mehr Waffenthürme er in densel¬ 
ben anlegen konnte, desto besser. Enge und steile Pfade 
führten zu der Burg hinauf, die nur für Fußgänger und 
die, an steiles Bergsteigen gewöhnten, Pferde gangbar 
waren; und da oben wohnte nun der Ritter mit Fran 
und Kind und so viel Knechten und Pferden, als er un¬ 
terhalten konnte. Seinen Unterhalt zog er von seinen 
Gutsunterthanen, die entweder ganz leibeigen waren und 
nur so viel von dem Ertrage des Landes, das sse bauten, 
behielten, als zu ihrer Nothdurft erforderlich war, oder 
halb Freie, die dem Gutsherrn nur zu gewissen Diensten 
und gewissem Zins pflichtig waren. — War er nun ein 
ehrenwerthcr und rechtlicher Ritter, so ließ er stch an die¬ 
sem seinem Einkommen genügen, verzehrte, was er mit 
Recht empfing, und brachte seine Zeit hin mit der Ver¬ 
waltung seines Hauswesens und seiner Güter, mit Waf¬ 
fenübungen, Jagd, Festgelagen und dem Herumziehen zu 
den Waffenspielcn oder Turnieren, zu denen er geladen 
war. Gab es aber eine ernstlich^ Fehde, indem er selbst 
mit Feinden zu thun hatte, oder einem Freunde zu Hülfe 
ziehen mußte, so war nun der Tag gekommen, wo erden 
Lohn für so viele aufgewandte Mühe in Erlernung der 
Waffenkunst einernten konnte. Mit Helm und Panzer be¬ 
waffnet, so daß er vom Kopf bis zu den Füßen in Eisen 
gehüllt war, das breite Schlachtschwcrdt an, der Seite, 
am linken Arme den Schild, in der Rechten die lange, 
schwere Lanze, zog der Ritter auf dem großen Streitrosse 
aus; hinter ihm die leichter gewaffneten Reisigen. Fu߬ 
kampfer waren selten und wenig geachtet; sic wurden nur 
von den Städten, und bei größeren Gefechten zwischen ei¬ 
gentlichen Landesherren, Herzögen, Grafen n. s. w., die mit 
Tausenden gegen einander zu Felde zogen, gebraucht. Der 
Ritter mit seinem Gefolge kämpfte zu Pferde; und wenn 
er nun mit seinem Gegner zusammentraf, so war da kein 
langes Besinnen und Versuchen mit Listen und Umgehun¬ 
gen, sondern im stärksten Rennen der Pferde spreygten 
sie gegen einander, und ein jeder suchte den andern durch 
geschickte Wendung mit der Lanze aus dem Sattel zu wer¬ 
fen. Oft auch wurde durch die Heftigkeit des Stoffes der 
Reuter sammt dem Rosse zu Boden geworfen; und ehe er 
in der schweren Rüstung, von dem starken Falle betäubt, 
sich wieder aufraffen konnte, hatte her Gegner ihm schon 
die Lanzenspitze an die Kehle gesetzt und forderte seine Er¬ 
gebung. Vielleicht schützten ihn aber auch seine Knappen 
und Freunde, daß er sich erheben und sein Roß wieder
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.