Stiftung bey Christenthums. 13 
durfte, und welcher die Nachwelt seit achtzehnhundert Jah¬ 
ren den hohem Sinn für Wahrheit, Recht und Tugend ver¬ 
dankt. So lange er lebte, that er keinen Schritt, die herr¬ 
schende Volksreligion abzuschaffen; der Zweck seiner Beleh¬ 
rungen ging vorzüglich dahin, durch einfache ewig geltende 
Wahrheiten den Sinn für Sittlichkeit zu erwecken und zu 
scharfen, und die Beseligung des Menschen an seine Sitt¬ 
lichkeit aufs innigste anzuknüpfen. So lag der menschen¬ 
freundliche Plan der Rettung seiner Brüder in seiner Seele. 
Nur gegen das kalte Formelnwerk uuo gegen den tödtenden 
Ceremvniendienst seiner Zeitgenossen wirkte er mit Nachdruck, 
weil er auf die Verehrung Gottes im Geiste und 
in der Wahrheit die höhere sittliche Reife der folgenden 
Menschenalter gründete. Von diesen sittlichen Fortschritten 
hoffte er, daß dann von selbst das Unhaltbare fallen, und 
das Zufällige von dem Wesentlichen werde getrennt werden. 
Er lehrte kein eignes Moralsystem, sondern sprach, 
nach den Bedürfnissen seiner Zeit, in einer männlich festen, 
edlen, faßlichen Sprache. Liebe gegen Gott und Liebe ge¬ 
gen alle Menschen, wie gegen sich selbst, war die Grund¬ 
lage seiner einfach sittlichen Vorschriften. Er hüllte dabei 
seine Lehren in das gefällige, dem Morgenlande geläufige, 
Gewand des Gleichnisses und Bildnisses, um selbst die Auf¬ 
merksamkeit der großen Masse des Volkes zu beschäftigen. 
Noch nie hatte ein Weiser des Alterthums mit solcher Klar¬ 
heit, mit solcher Bestimmtheit und mit solcher Einfachheit 
über das Verhältniß Gottes zu den Menschen, über die 
Gleichheit aller Menschen vor Gott, über ihre Bestimmung 
zur Tugend, über ihre hohe Verpflichtung zur gegenseitigen 
brüderlichen Liebe, und über ein künftiges besseres Leben sich 
erklärt, wie Jesus. Noch nie harte ein Lehrer so aus¬ 
schließend sich mit seinen Belehrungen an das Volk ge¬ 
richtet, wie er. Gewöhnlich hatten die Lehrer der Wahrheit 
und Tugend, welche vor ihm erschienen waren, nur einem 
kleinen Kreise von Auserwählten ihre richtigern Einsichten 
mitgetheilt; Jesus aber machte sie zu einem Gemeingute 
aller Stände und Volksklassen, und ward dadurch der Leh¬ 
rer der Menschheit. Doch wie hätte ein solcher Leh-
	        
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