Völkerwanderung. 
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die Nahe der civilisirten Reiche gedrängt wurden. So roh 
auch diese Völkerschaften, selbst nach ihrer ersten Bekannt¬ 
schaft mft den Römern, blieben; so kräftig und zum Streite 
gerüstet war doch der Menschenschlag, den sie ihren Feinden 
gegen über stellen konnten. Freilich vermochten sie nichts 
gegen die römische Tactik, so lange die römischen Legionen 
vollzählig und tapfer genug waren, die Rhein- und D o- 
na»grenze gegen sie zu vertheidigen. Je mehr aber die, 
Disciplin in den römischen Heeren sank; je wilder der Par- 
theigeist im Innern des Reiches selbst wüthete, und je hau- 
siger die Regenten desselben wechselten; desto mehr lernten 
diese Völkerschaften die Schwache Roms kennen, die sich 
hauptsächlich darin zeigte, daß man entweder mehrere dieser 
Ausländer (Barbaren in der römischen Staatssprache) 
in die römischen Heere aufnahm, oder ihnen Besitzungen 
innerhalb des römischen Gebiets anweisen mußte. 
Keine Wanderung dieser Art war für Europa folgenrei¬ 
cher, als der Aufbruch der Hunnen. Dieser häßliche 
kalmückische Volksstamm, mit breiten Schultern, tief¬ 
liegenden kleinen Augen und platten Nasen, der in den 
Steppen am Üral und Altai groß gezogen worden war und 
gegen dessen wilde Einfalle in China schon im fernen Alter¬ 
thume die sinesische Mauer aufgeführt ward, mußte bereits 
93 n. C. seine damaligen Wohnsitze verlassen, und zog sich 
weiter nach Westen und Norden. Im Jahre 374 überschrit¬ 
ten diese Hunnen die Wolga und den Don, verbanden 
die dort wohnenden Nomadenhorden mit sich, und warfen 
sich am Tanais auf die Alanen. Die Alanen, ein 
allgemeiner Name für die zwischen der Wolga, dem kaspi- 
schen Meere, dem Kaukasus und dem Don und Dnepr 
wohnenden Stamme, konnten (375) dem Andränge der 
Hunnen nicht widerstehen; ein Theil derselben zog sich nach 
dem Kaukasus, ein anderer Theil schloß sich an die germa¬ 
nischen Stamme, und wieder ein anderer an die Hunnen 
an. Diese beträchtlich verstärkten Massen übersielen die 
Ostgothen, und brachten dadurch jene merkwürdige Er¬ 
schütterung im byzantinischen Reiche hervor, welche Valens 
mit seinem Leben büßte.
	        
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