Einleitung.
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von den blutigen und verheerenden Religionskriegen des
sechszehntcn und siebenzehnten Jahrhunderts; der Fanatisr
nuls und die Inquisition vermochten nicht mehr, ihre blu¬
tige Fackel über Europcns Reiche zu schwingen. Der Pro-
tesiaurismus hatte seine Rechte mit Nachdruck erkämpft,
und die Erbfolge- und Landererwerbungskriege waren an die
Stelle der Religionskriege getreten. Allein wer mochte es
laugnen, daß der große politische Anstoß, welcher von
der Religion ausgehen muß, wenn die Staaten in
ihrem Innern in fch'cher Jugendkraft bestehen sollen, all-
mahlig von der einen Seite durch Gleichgültigkeit und durch
Spöttereien über das Heilige, wie von der andern durch
geistlose Frömmelei und durch einen, daS Licht der Ver¬
nunft scheuenden und anfeindenden, Mysticismus so ent¬
kräftet worden war, daß mit dem immer weiter um sich
greifenden Sittenverderben, und mit der allgemeinen
Verwes ch l i ch u n g, besonders der obern und h ö h e r n
Vvlksklassen, auch die Religion ihren kräftigen Einstuß auf
die Bildung der Völker und die Aufrechthaltung der StaatS-
verfaffung verloren hatte! Wie rief war nicht selbst in Frank¬
reich das Ansehen der Religion gesunken, seit das Leben der
Großen mit den ernsten Forderungen derselben im schreiend¬
sten Gegensatze stand, und die Pfeile des beißendsten Witzes
eben so die Mißbrauche und Verirrungen des Aberglaubens,
wie die letzten Gründe aller religiösen Ueberzeugung getroffen
und erschüttert hatten!
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Fortsetzung.
Endlich darf auch die M a ch t des Zeitgeistes selbst
in der Reihe der Ursachen nicht vergessen werden, welche die
schnelle Umbildung der europäischen Staatsformen unauf¬
haltbar herbeigeführt haben. Entschieden erhellte ein höheres
Licht der Kultur und Aufklärung besonders die westlichen
Völker Europens seit der zweiten Hälfte des achtzehnten
Jahrhunderts! Es war die unmittelbare Folge der großen
Entdeckungen, welche der menschliche Geist im Reiche der