Politische Verfassung Indiens. 
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seiner E'mgebohrnen alle diese Angriffe bestanden, inwiefern 
die seit Jahrtausenden hervorgebrachten Formen der Staats¬ 
verfassung und der Religion unter verhaltnißmaßig geringen 
Umbildungen und Veränderungen sich erhalten haben. Ein 
sanfter und stiller Charakter ist den indischen Stammen ei¬ 
gen, auf welchen der Einstuß des milden Klima's und des 
üppigen Bodens nicht verkannt werden kann. Sie haben 
sich unter das Joch des Despotismus einheimischer und ein¬ 
wandernder Regenten schmiegen müssen, und — willig ge¬ 
schmiegt. Die Anhänglichkeit an ihre Priester, an ihre Ge¬ 
brauche und Feste, an ihre Mythen und Pagoden, rührt 
von der Erziehung her, die ganz in den Handen der Bra¬ 
minen liegt. Sanftmuth, Höflichkeit, Keuschheit und Mäßi¬ 
gung geht von einem Geschlechte auf das andere über; al¬ 
lein freilich fehlt dem Volke der höhere Schwung, sein Le¬ 
ben ist ein harmloses Pflanzenleben, ängstlich und besorgt 
im Kleinlichen. Friedlich baut dieses Volk seinen Boden 
und bildet im Einzelnen an seinen Künsten fort; selbst die 
niedern Stamme lernen lesen, rechnen und schreiben. Nur 
der Stamm der Parias wird als verworfen, und von dem 
gesellschaftlichen Vereine ausgeschlossen betrachtet; er ist der 
Menschenrechte und Religion beraubt; seine Individuen dür¬ 
fen von keinem andern Indianer berührt werden, und ihr 
Anblick schon entweiht den Braminen. Die Meinungen über 
diese Kaste, ob ihre Individuen die Ueberreste eines unter¬ 
jochten Volkes, oder die Nachkommen von Armen oder 
Missethätern enthalten, sind getheilt. Die Zigeuner 
scheinen ein im Mittelalter losgerissener, und nach Westen 
getriebener. Zweig dieses indischen Volksstammes zu seyn. 
Die Vertheilung der Lebensarten in Indien unter erb¬ 
liche Stamme bewirkt einen drückenden Zwang, und schließt 
fast alle Verbesserung und Vervollkommnung der Künste aus. 
Dennoch war der Handel im Alterthume nach den nördli¬ 
chen Gegenden Indiens bedeutend und blühend, weil die 
Erzeugnisse derselben, namentlich der Goldsand, welchen die 
von den asiatischen Mittelgebirgen in der Nahe der Sand¬ 
wüste Cobi ausgehenden Ströme bei sich führten, die Seide, 
Pöliy Weltgeschichte I. 4te 'Willst. 5
	        
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