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Gute Dienst »Herrschaften.
wieder recht gesund zu seyn, nicht auf eine so weite Reiie
im Winter begebest. Uns qllen wirv Deine Ankunft
werth und erwünscht seyn." — Dieß liebreiche Verfahren
Ckcero's gegen seine Bedienten erwarb ihm auch die ganze
Liebe derselben. AIS sie daher hörten, daß AntoniuS
Mörder abgeschickt habe, um ihren guten Herrn umzubrin¬
gen, trugen sie ihn, theils mir Binen, theils mit Ge¬
walt — von seinem Landgute, wo er sich aushielt, in
einer Sänfte gegen das Meer zu, damit er zu Schiffe
gehen und seinen Feinden entfliehen möchte. Allein er
ward eingeholt. Seine Bedienten stellten sich um ihren
Herrn, mir dem Vorsatze, ihn, auch mit Aufopferung
ihres Lebens, gegen seine Mörder zu vertheidigen. Doch
Cicero verbot ihnen, den geringsten Widerstand zu thun.
46o.
Die Herren dürfen nur gute Beyspiele geben, so
werden die Bedienten schätzbare Menschen seyn- Ein em¬
siger und treuer Diener muß uns nach unsern Aeltern und
Verwandten das Liebste seyn. Daher gehören auch die Be¬
dienten der alten Römer, welche die Tugend überall,
wo sie sich fand, zu schützen wußten, mit zu dem, waS
sie Familie nannten. Selbst die Italiener brauchen noch
jetzt den nämlichen Ausdruck. Michael Angelo, der
wegen seiner Talente und seines erhabenen Geistes werth
ist, unter den vorzüglichsten Männern des Alterthums
zu prangen, schrieb einem seiner Freunde, der ihn wegen
des Verlustes seines Bedienten zu trösten suchte, folgenden
Brief: „Lieber Freund Georgio! Mein Schreiben wird
schlecht ausfallen, gleichwohl muß ich Ihnen antworten.
Meines Urbino (so hieß sein Bedienter) Tod ist Ihnen
-bekannt, der für mich eine große und göttliche Wohlthat,
und zugleich ein großes Unglück ist; Wohlthat, weil die¬
ser rechtschaffene Mensch, der mich in seinem Leben ver¬
pflegte , mich durch sein Sterben nicht nur zu sterben,
sondern auch mich nach dem Tode zu sehnen gelehrt hat.
SBepfoUle d. Guten. UI. Tj>l.
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