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II. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
Anspruch genommen. Die Kunst des Bildners und Steinmetzen, welche
einst die griechischen Künstlerschulen gelehrt, war in den Genossenschaften
römischer Handwerker erstarrt, die Erfindungskraft war gering, doch die
Formen, Maße, Kunstgriffe standen fest; die Steinmetzen meißelten große
Statuen, Reliefs und Sarkophage aus dem härtesten Gestein.
Auch die M a l e r e i wurde nach alten Handwerksregeln mit verminderter
Kunstfertigkeit forlgeübt. Die Farben für Tafel- und Wandbilder standen
fest, ebenso ihre Verwendung zu bestimmten Wirkungen, sie wurden durch
den Handel aus fernen Ländern bis Arabien gebracht, die Vorschriften
über ihre Mischung wurden treu bewahrt. Zuerst zeichnete man die Linien
des Bildes auf, dann legte man eine Schattenfarbe unter, darüber wurden
die Farben gezogen; für die Gewänder und verschiedenen Fleischtinten,
z. B. für die weißere Haut der Frauen, gab es bestimmte Farbenstoffe.
Es ist in der Hauptsache dieselbe Technik, welche in Miniaturen und
Tafelbildern bis gegen Ende des Mittelalters erhalten ist. — Vor andern
bewahrten die Bauhandwerker viel von ihrer alten Tüchtigkeit; ihre Werk¬
zeuge und Erfahrungssätze über Konstruktion der Rüstzeuge, Tragkraft,
Mörtelbereitung sind bis in die Neuzeit wenig geändert. Und wenn wir
jetzt mit weit anderer Maschinenkunst zu arbeiten wissen, so ist uns doch
auch manche alte Kunstfertigkeit erst auf weiten Umwegen wiedergefunden,
welche das sechste und siebente Jahrhundert noch besaß. Die Mosaik¬
arbeiter setzten aus bunten Glaswürseln große Wandflächen und Fußböden
zusammen, dünne Wandtafeln wurden zur Wandbekleidung durch feinen
Sand geschnitten, den eine Säge in der Schnittlinie zog und drückte; die
Decken wurden aus viereckigen oder runden Tafeln von Holz und Gips
zusammengefügt, gemalt und mit Relieffiguren geschmückt. Auch für
Privatwohnungen war in den Städten Frankreichs und Spaniens Stein-
und Ziegelbau gewöhnlich, weichere Bausteine zerschnitt man mit der Säge.
Die Ziegel der Mauern und des Daches preßte man in die alten Formen
der Römerzeit. Häufig besorgte der Baukünstler auch die innere Deko¬
ration der Häuser, er modellierte und malte. Die Künstler, welche etwas
Gutes leisteten, waren gewiß selten; aber große Kirchen und Paläste mit
sorgfältiger Steinarbeit, in denen Wandsresken mit vielen Figuren prangten
und ungeheure Wandflächen ganz mit Mosaik überzogen waren, lassen uns
nicht nur auf den Bienenfleiß der Arbeiter, sondern auch auf großes Talent
der Architekten schließen.
Daß man für Küche und Keller zu sorgen wußte, ist selbst¬
verständlich. Das Getreide wurde nicht mehr ausschließlich auf Handmühlen,
sondern auch auf Wassermühlen gemahlen, die man, wie es scheint, bereits
ober- und unterschlächtig anlegte; auch Schiffmühlen zimmerte man in der
Rot. Die Kunst, gut zu kochen und feines Backwerk zu machen, wurde
von den Germanen höchlich geschätzt und Delikatessen über das Meer ein¬
geführt. Die starken Gewürze der römischen Küche, — der indische Pfeffer,
der mit Most eingekochte Senf, die salzige Fischbrühe — gingen in die
deutsche Wirtschaft über. .