II. Mlturbilder aus Weltbund Werkstatt.
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mutigeren Unternehmungslust, um, wie im ganzen deutschen Vaterlande, so auch in
Schlesien die Industrie wieder zu erfreulicher Entfaltung, sowohl in Bezug auf die
äußere Ausdehnung wie innere Vervollkommnung gelangen zu lassen. Bis zu welcher
Höhe sie sich unter diesen günstigen Umständen emporgeschwungen hat, und was sie
heuügen Tages zu leisten imstande ist, davon hat zum erstenmal in einer die gesamte
Provinz umfassenden Ausdehnung die Gewerbeausstellung im Sommer 1881 in Breslau
ein erfreuliches Zeugnis gegeben. Aus dem „Off. Katalog d. Schles. Gewerbeausstellung".
139. Die Achatschleisereien an der Nahe.
Auf der ganzen Welt sind kleine Achatgegenstände aller Art zu finden.
Die Läden der Galanteriewarenhändler, die Messen und Jahrmärkte halten
dieselben überall zum Verkauf, wo europäische Kultur anzutreffen ist.
Achatschmuck wird getragen in Deutschland und Frankreich, in England
und Spanien, in der Türkei und in Ungarn; Achatschmuck kennt die Schwedin
im hohen Norden, die Russin im eisigen Sibirien und er wird nach Amerika,
nach Australien und Afrika exportiert.
Und woher kommen all diese Gegenstände, die teils wegen ihrer
geschmackvollen und zierlichen Form, teils infolge ihrer großen Billigkeit
so allgemein verbreitet sind?
An der Nahe, einem reißenden klaren Gebirgsslusse, liegt nicht fern
von der französischen Grenze ein Stückchen oldenburgischen Gebietes, das
Fürstentum Birkenseld, ein Ländchen von noch nicht neun Quadratkilometern,
dessen bedeutendsten Orte die Städte Birkenfeld, Idar und Oberstem sind.
Dies ist die Gegend, aus der die Achatwaren stammen, und unter den drei
eben genannten Orten ist in Bezug auf den Handel mit jenen Schmuck¬
sachen der letzte der bedeutendste.
Oberstem liegt in einem engen Thale auf beiden Seiten des hindurch-
fließenden Wassers, welches hier nur Raum für die Eisenbahn und wenige
schmale Straßen läßt. Die von dem Flusse entfernter liegenden Häuser
lehnen sich mit den Hintermauern an die aufsteigenden Felswände an, die
sich ringsum waldbekränzt zu einer bedeutenden Höhe erheben. Vom
Bahnhof beim Städtchen hat man einen vollständigen Überblick. Vor sich
sieht man von ihm aus die Häuser, rechts eine neue gotische Kirche, links
einzelne kleine Felder und Gärten. Das Thal erscheint vollständig ge¬
schlossen, denn auf dem Schienenwege kann man dasselbe von beiden Seiten
her nur durch lange, dunkle Tunnels erreichen. Dicht bei einem dieser
Tunnels an der Landstraße erblickt man ein kleines Häuschen, welches
unter dem schützenden Dache einer riesigen von der Höhe der steilen Berg¬
wand herabgestürzten Felsplatte erbaut ist.
Die Bevölkerung Obersteins besteht zu zwei Dritteln ungefähr aus
Achatschleifern, Achathändlern und Goldschmieden, welche die Steine fassen —
man kann daher wohl sagen, daß dieses Städtchen auf Felsen gebaut ist
und von Achat lebt.
Der Achat ist eine Bastardsteinart, meist eine enge Verbindung des
Chalcedons mit Jaspis, Quarz, Amethyst, Feuerstein, Hornstein, Heliotrop,
Karneol und Onyx. So aus lauter politurfähigen Substanzen gebildet,
ist er in höchstem Grade geeignet, einen feinen Schliff anzunehmen, und er