II. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
333
sitzen indessen einen eigentümlichen Kennerblick, der den Reisenden oftmals
in Erstaunen setzt. Wenn sie die rauhe, ungeschliffene Außenseite des
Steines, die gewöhnlich schmutzig grau oder bräunlich ist, ansehen, so sagen
sie mit der größten Bestimmtheit, wie derselbe in seinem Innern gezeichnet
ist, und nach welcher Richtung hin durchschnitten, die schönsten Farben
erscheinen werden. In dieser zuweilen ganz unglaublich klingenden Voraus¬
sage täuschen sich die Arbeiter niemals, und es ist solche Kenntnis ein
Haupterfordernis für einen geschickten Sckleifer; denn ohne dieselbe würde
er häufig in die Lage kommen, wertvolle Stücke ganz zu verderben oder
wenigstens in einer Weise zu bearbeiten, daß nicht der volle Wert dabei
zu Tage träte. Und dieser Wert ist zuweilen bedeutend. Man darf
nämlich nicht etwa glauben, daß alle Achatgegenstände ähnlich wohlfeil zu
haben seien, als diejenigen, welche man gewöhnlich auf Mesfen und Jahr¬
märkten findet. Es sind dies meist nur Ausschußartikel von geringem
Wert. In Oberstein und Idar findet man dagegen stets Sachen aus¬
gestellt, z. B. Vasen, Schmuckkästchen, Tischplatten rc., bei denen die Preise
mit 60, 90, 120, ja selbst 300 Mark angegeben werden. Auch für die
einfach durchschnittenen, dann an der Schnittfläche polierten Steine — die
sogenannten Kabinettstücke — an denen nichts als die natürliche Schönheit
bezahlt wird, fordern die Verkäufer oft hohe Summen und versenden sie
ebenso, wie die sonstigen Schleifprodukte in alle Welt.
Hobirk's Wanderungen.
140. Industrie aus dem Thüringer Walde.
Reben dem stillen Naturleben des Thüringerwaldes hat, besonders
auf und an dem mehr ausgebreiteten Südostteile, seit langer Zeit Gewerbe¬
fleiß aller Art seine Werkstätte vielfach aufgeschlagen. Der mühsame Korn¬
bau auf der kargen Ackerkrume der Berglehnen konnte die zahlreiche Be¬
völkerung nicht ernähren; das Bedürfnis schärfte den erfinderischen Sinn,
den Ankömmlinge aus der Ferne, aus Nürnberg, Böhmen, Schwaben und
Kärnten, geweckt hatten, und dessen Ausbildung durch nützliche Produkte,
besonders durch reichen Schiefer-, Holz- und Eisenvorrat des Gebirges
unterstützt wurde. Wir finden in dem Bereiche des Thüringerwaldes
Glashütten, Porzellanfabriken und -Malereien von bewährten
Namen, ferner jeueweitverbreiteteS tahlindustrie, die bei Suhl, Schmal¬
kalden, Zelle und Mehlis als Gewehrfabrikation, in Ruhla und Steinbach als
Messerfabrikation einen hohen Grad der Entwickelung erreicht hat, und vor
allen jene allbekannten feinen Spielwaren, die von Sonneberg und Um¬
gegend nach den Hauptorten Europas und über den Ozean zu allen Völkern
gehen und die Herzen der Kinder erfreuen, sowie den indianischen Häupt¬
ling, der sich mit ihnen schmückt, und denen kein Palast und keine Hütte
verschlossen bleibt.
Die Sonneberger Waren, hauptsächlich aus Kinderspielzeug bestehend,
sind entweder aus Holz, Schiefer, Papier oder Glas, Eisen, Blech und
Leder gefertigt. Was insbesondere die Holzwaren anlangt, so werden sie
in ungeheurer Mannigfaltigkeit geliefert und sind meist, abgerechnet die