Full text: Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung

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I. Lebensbilder. 
daß du einst tüchtig in deinem Fache und gesund an Leib und Seele zu¬ 
rückkehren werdest. 
Und nun, mein lieber Bruder, nimm dein Felleisen auf den Rücken 
und den Wanderstab zur Hand, habe Mut und Gottvertrauen, sieh dich 
in der Welt um, bilde dich zu einem tüchtigen Handwerker aus, kehre 
nach Jahren gesund und glücklich wieder an den heimatlichen Herd zurück 
und nimm zum voraus die Versicherung hin, daß, wenn du meinem 
Rat gefolgt bist, du von allen Guten und Verständigen geachtet und ge¬ 
liebt sein wirst. Du wirst glücklich und zufrieden sein, denn dein Herz 
ist rein und deine Seele rein von Schuld. 
Lochner. 
19. Wanderlied. 
1. Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus, 
Da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus; 
Wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt, 
So steht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt. 
2. Herr Vater, Frau Mutter, daß Gott euch behüt'! 
Wer weiß, wo in der Ferne mein Glück mir noch blüht! 
Es giebt so manche Sttaße, da nimmer ich marschiert, 
Es giebt so manchen Wein, den ich nimmer noch probiert. 
3. Frisch auf drum, frisch auf im hellen Sonnenstrahl. 
Wohl über die Berge, wohl durch das tiefe Thal. 
Die Quellen erklingen, die Bäume rauschen all, 
Mein Herz ist wie 'ne Lerche und stimmet ein mit Schall. 
4. Und abends im Städtlein da kehr' ich durstig ein: 
Herr Wirt, Herr Wirt, eine Kanne blanken Wein! 
Ergreife die Fiedel du lust'ger Spielmann du, 
Von meinem Schatz das Liedel, das sing' ich dazu. 
5. Und find' ich keine Herberg, so lieg' ich zu Nacht 
Wohl unter blauem Himmel; die Sterne halten Wacht; 
Im Winde die Linde, die rauscht mich ein gemach/ 
Es küsset in der Früh' das Morgenrot mich wach. 
6. O Wandern, o Wandern, du freie Burschenlust I 
Da wehet Gottes Odem so frisch in die Brust; 
Da singet und jauchzet das Herz zum Himmelszelt: 
Wie bist du doch so schön, o du weite, weite Welt. 
Emanuel Geibel. 
20. Handwerksbrauch aus der Herberge. 
Rüstig, mit hellen Augen, das Ränzel auf dem Rücken, den starken 
Stock in der Rechten, wanderte ein junger Bursch gegen Abend in die 
Stadt Elberfeld ein. Aus dem Ansbachischen war er zu Haus und in 
Rot hatte er die Schlosserei erlernt. Wie der Frühling des Jahres 1665 
ins Land gekommen, hatte der junge Gesell sich auf die Wanderschaft be¬ 
geben. Hier und dort in den Städten war er dann ein paar Wochen je¬ 
desmal in Arbeit gegangen, bis er vom Lohn sich wieder für die Fort¬ 
setzung der Reise erspart hatte. 
In Elberfeld, wohin ihn sein Weg geführt, wollte er abermals Ar¬ 
beit nehmen. Am Thor, wo er sein Wanderbuch der Wache vorgezeigt, 
hatte er erfahren, wo seiner Zunft ehrbare Herberge fei. Dahin wandte
	        
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