Full text: Lehr- und Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und Fachschulen sowie zur Selbstbelehrung

II, Kulturbilder aus Welt und Werkstatt. 
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Wenn sie keinen geeigneten goldhaltigen Boden mehr fanden, um zu 
graben, dann raubten sie sich ihn von andern und erschlugen die Besitzer. 
Oder sie lauerten bei Nacht und Nebel denen auf, die mit der golduen 
Frucht ihres Tagewerks in ihre Löcher und Bretterbuden heimkehrten und 
dann ward der Arglose das Opfer dieser Freibeuter. „Billy Barlow" — 
der breite Dolch regierte. Keine Ordnung, keine Zucht, keine Sicher¬ 
heit! Wilde Männer, gehärtet in den Stürmen des Lebens, hatten sie 
nicht nur mit der Natur, — sie hatten unter sich um ihr Dasein zu 
kämpfen. 
Aber so lange das Gold winkte, so lange sich das Fieber an ihre 
Fersen heftete und ihre Sinne gefangen hielt, so lange kannten sie keine 
Gefahr. Die goldenen Dollars, 'deren sie täglich mitunter zu Hunderten, 
an ihrer gebräunten Brust verborgen, nach Hause trugen, diese goldenen, 
schweren Dollars sind ihnen mehr als das Leben. Man muß die Mine 
besucht, und die goldhaltigen schweren Erze selbst gesehen haben, um zu 
wissen, was das Wort „Goldfieber" bedeutet, und noch dazu für jeue, die 
Zeit ihres Lebens am Hungertuche genagt haben. Man muß die kleinen 
mattglänzenden Körnchen und Blättchen gesehen und in ihnen gewühlt haben, 
um zu wissen, was das Wort „Gold" bedeutet! — Nicht der geschlagene 
Dukaten hat so viel Reiz, als das Stückchen weißen Quarzes, durch das 
sich wie ein Faden die Goldader schlängelt. Der schönste goldene Ring, 
verblaßt gegenüber dem schweren rotgelben Stäubchen, daß dem Mineur im 
Sande matt entgegen schimmert. Das ist die Jagd nach Gold! — 
Dieser erste Sturm ging vorüber. Wie wenn sich nach Gewittern 
die Fluten des Sturzbaches verheerend in die Ebene ergießen und dein 
ruhigen, klaren Geriesel in dem neu gebrochenen Flußbett Platz geben, so 
zogen auch die wilden Horden der Mineure weiter, als ihre rohe, unver¬ 
ständige Kraft das Gold nicht mehr zu Tage fördern konnte, sondern es 
der Kunst bedurfte, das edle Metall den Erzen zu entringen. Neue, 
ruhig denkende Arbeiter kamen und bauten sich Hütten und Häuser, Stampf¬ 
mühlen und Schmelzwerke. Wo die Kraft des Einzelnen nicht ausreichte, 
da vereinigten sie sich zu Kompanieen, kauften Maschinen und nahmen 
Hülfsarbeiter. So entstanden Städte und Dörfer. 
Das Gold war es auch, was Denver geschaffen und es zu seiner 
jetzigen Größe und Bedeutung heranwachsen ließ. Denver, die junge Riesin 
des Westens, ist die Hauptstadt von Colorado. Vor zwanzig Jahren 
wurde die erste Hütte gebaut; heule besitzt sie 30 000 Einwohner. Mau 
könnte Denver Klein-Francisco und dieses Groß-Denver nennen, nur lasse 
man das „San", das „Heilig" weg. In beiden ist nichts heilig, nicht 
die Kirchen, nicht das Menschenleben, nicht die Moral, nur das Gold. 
v. Hesse-W artegg. 
168. Die Stahlsedersabrikñüon. 
Aus dem 5. Jahrhundert etwa finden sich die ersten Andeutungen, daß 
man von dem Gebrauch des Schilfrohres beim Schreiben zu der Anwen-
	        
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