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II. Kulturbilder aus Welt und Werkstatt.
Hier, wo eine fast lautlose Rührigkeit herrscht und ein Biertel der ganzen
Arbeiterzahl beschäftigt ist, wird jede Feder mit einer Zange oder mit der
bloßen Hand gefaßt und durch ein fast nur augenblickliches Anhalten an
die Schleifscheibe der obere Teil des Schnabels etwas abgeschliffen. Bon
dem Schleifen hängt die Güte der Feder hauptsächlich ab. Es hat den¬
selben Zweck, welchen das Abschaben des Gänsekiels an der Stelle hatte,
wo der Schnabel hinkommen sollte.
Die letzte Arbeit ist die Herstellung des Mittelspaltes im
Schnabel, welcher ebenfalls durch eine kleine Maschine bewirkt wird. Die
Hauptaufgabe der Arbeiterin ist hier, darauf zu achten, daß jede Feder
ganz genau auf die richtige Stelle aufgelegt wird, wofür übrigens am
Instrumente Vorrichtungen angebracht sind. Der Spaltschnitt, sowie die
etwa früher schon erzeugten Seitenschlitze sind eigentlich Scherenschnitte. Wo
nämlich ein Spalt entstehen soll, fällt der Unterstempel senkrecht ab und
bildet eine Kante; auf diese Kante kommt der Federschnabel so zu liegen,
daß die Hälfte desselben darüber hinausragt. Indem nun der Oberstempel
an dieser Seite niedergeht und sich mit einer eben solchen Kante an der
unteren dicht vorbeischiebt, wird dadurch das Zwischenliegende mit einem
glatten Schnitt getrennt.
Damit ist die Feder eigentlich fertig; sie wird aber meistens noch
wieder poliert um ihr den letzten Schliff zu geben. Dies geschieht ent¬
weder in Hohlcylindern, welche 50 000 Stück mit einmal aufnehmen und
die durch eine Kurbel in eine eigenartige Drehung versetzt werden, so daß die
Federn in eine stark schüttelnde Bewegung kommen und sich aneinander und
an den Innenwänden abschleifen, oder man benutzt umlaufende Trommeln
dazu, welche mit Sägespänen gefüllt sind.
Nun findet das Sortieren und Verpacken der Federn statt, um in
den Handel gebracht zu werden. Vor 40 Jahren kostete ein Gros Federn
noch 8 Schilling (8 Ji); jetzt kann man das Gros schon für 50 Pfennige
kaufen. Gleichwohl wird noch immer an dem Artikel guter Gewinn ge¬
macht und die Arbeiter sind nicht schlecht bezahlt. Der Verdienst beträgt
je nach der Geschicklichkeit der Arbeiterinnen 5, 7, 12 und 18 Jb> wöchentlich.
Spamer, Buch der Erfindungen
169. Die Steinkohlen.
Vor vielen Tausenden von Jahren hat eine wenn auch nur teilweise
Umgestaltung der Erdoberfläche stattgefunden, als deren Hinterlassenschaft
die — Steinkohlen auf uns gekommen sind. Wir sind die glücklichen
Erben dieser unermeßlichen Hinterlassenschaft, obgleich eine ungeheuer lange
Zeit verging, ehe der Mensch auf die Erde kam, um diese beglückende
Erbschaft anzutreten und ehe er sie wirklich antrat. Die alten Römer
scheinen sie noch nicht gekannt zu haben und also erst sehr späte Geschlechter
der Menschen begannen, diesen Schatz zu heben.
Wem fällt bei dem Gedanken an die Steinkohlen nicht die ungeheure
Industrie Großbritanniens, Belgiens und auch Deutschlands ein? Wer