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Das Strafrecht
regung ruhe st örenden Lärms, sowie die Verübung groben
Unfugs. Des letzteren macht sich jeder schuldig, der durch eine
grob-ungebührliche Handlung das Publikum im allgemeinen unmittel¬
bar belästigt oder gefährdet.
3. Kapitel.
Das Strafverfahren.
Das Verfahren vor den deutschen Strafgerichten ist im ganzen
Reiche einheitlich geregelt durch die am 1. Oktober 1879 in Kraft
getretene Strafprozeßordnung für das Deutsche Reich (Ab¬
kürzung: StPO). Daneben sind über die Entschädigung un¬
schuldig Verhafteter und Verurteilter besondere Reichsgesetze erlassen
worden. Die Bestimmungen über Organisation und Zuständigkeit
der Gerichte und Staatsanwaltschaften sind in dem gleichfalls seit
1 Oktober 1879 in Kraft befindlichen deutschen Gerichtsver¬
fassungsgesetz enthalten.
1. Die Staatsanwaltschaft und die Gerichte.
Eine Behörde, die eine Strafverfolgung eingeleitet und bei den
oft schwierigen Ermittlungen den Kampf gegen die Kräfte geführt
hat, welche der Aufdeckung des Verbrechens widerstreben, würde in¬
folge dieser Tätigkeit in manchen Fällen bei Fällung des Urteils
nicht mehr völlig unbefangen sein oder wenigstens scheinen. Man
hat daher beide Tätigkeiten getrennt, die Leitung der Strafverfol¬
gung der Staatsanwaltschaft, die Urteilsfindung aber den Gerichten
zugewiesen. Beide sind einander gleichgeordnet und von einander
unabhängig.
1. Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, alle zu ihrer
Kenntnis gelangenden strafbaren Handlungen zu verfolgen. Gibt
sie dem Antrag des angeblich Verletzten auf Strafverfolgung aus
irgend einem Grunde nicht statt, oder verfügt sie nach dem Abschlüsse
der Ermittlungen die Einstellung des Verfahrens, so kann der Ver¬
letzte hiergegeu Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staats¬
anwaltschaft erheben und bei Verwerfung der Beschwerde auch noch
die Entscheidung des Gerichts, und zwar in der Regel des Oberlan¬
desgerichts, durch einen Rechtsanwalt anrufen.
Bei jedem Gericht muß eine Staatsanwaltschaft bestehen. Bei
den Amts- und Schöffengerichten sind A m t s a n w ä l t e \ bei den
1 AIs Amtsanwälte werden in Baden regelmäßig Gerichts¬
assessoren oder Rechtspraktikanten verwendet. Die Amtsanwälte haben ihren
Sitz beim Landgericht, dessen Staatsanwalt sie untergeordnet sind, und
reisen jeweils nur zu den Schöffengcrichtssitzungen nach den auswärtigen
Amtsgerichten.