Full text: [Teil 6 = Obertertia - Untersekunda, [Schülerband]] (Teil 6 = Obertertia - Untersekunda, [Schülerband])

Die Königin Luise an ihren Vater. — Aufruf des Königs Friedrich Wilhelm Hl. 169 
mir in allen Stücken, und ich gefalle ihm, und uns ist am wohlsten, 
wenn wir zusammen sind. 
Verzeihen Sie, lieber Vater, daß ich dies mit einer gewissen Ruhm¬ 
redigkeit sage; es liegt darin der kunstlose Ausdruck meines Glückes, welches 
keinem auf der Welt wärmer am Herzen liegt als Ihnen, bester, zärtlichster 
Vater! Gegen andere Menschen, auch das habe ich von dem Könige 
gelernt, mag ich davon nicht sprechen; es ist genug, daß wir es wissen. 
57. Aufruf des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen. 
An mein Volk! 
So wenig für mein treues Volk als für Deutsche bedarf es einer 
Rechenschaft über die Ursachen des Krieges, welcher jetzt beginnt: klar 
liegen sie dem unverblendeten Europa vor Augen. Wir erlagen unter 
der Übermacht Frankreichs. Der Friede, der die Hälfte meiner Unter¬ 
tanen mir entriß, gab uns seine Segnungen nicht, denn er schlug uns 
tiefere Wunden als selbst der Krieg. Das Mark des Landes ward aus¬ 
gesogen. Die Hauptfestungen blieben vom Feinde besetzt, der Ackerbau 
ward gelähmt, sowie der sonst so hoch gebrachte Kunstfleiß unserer Städte. 
Die Freiheit des Handels ward gehemmt und dadurch die Quelle des 
Erwerbes und des Wohlstandes verstopft. Das Land ward ein Raub 
der Verarmung. Durch die strengste Erfüllung eingegangener Verbind¬ 
lichkeiten hoffte ich meinem Volke Erleichterung zu verschaffen und den 
französischen Kaiser endlich zu überzeugen, daß es sein eigener Vorteil sei, 
Preußen seine Unabhängigkeit zu lassen. Aber meine reinsten Absichten 
wurden durch Übermut und Treulosigkeit vereitelt, und nur zu deutlich 
sahen wir, daß des Kaisers Verträge mehr noch als seine Kriege uns 
langsam verderben mußten. Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo alle 
Täuschung über unsern Zustand schwindet. Brandenburger, Preußen, 
Schlesier, Pommern, Litauer! Ihr wißt, was ihr seit sieben Jahren 
erduldet habt, ihr wißt, was euer trauriges Los ist, wenn wir den be¬ 
ginnenden Kampf nicht ehrenvoll enden. Erinnert euch an die Vorzeit, 
an den großen Kurfürsten, an den großen Friedrich. Bleibet eingedenk 
der Güter, die unter ihnen unsere Vorfahren blutig erkämpften: Gewissens¬ 
freiheit, Ehre, Unabhängigkeit, Handel, Kunstfleiß und Wissenschaft. Ge¬ 
denkt des großen Beispiels unserer mächtigen Verbündeten, gedenkt der 
Spanier und Portugiesen; selbst kleine Völker sind für gleiche Güter 
gegen mächtigere Feinde in den Kampf gezogen und haben den Sieg 
errungen: erinnert euch an die heldenmütigen Schweizer und Niederländer. 
Große Opfer werden von allen Ständen gefordert werden, denn unser 
Beginnen ist groß und nicht gering die Zahl und die Mittel unserer
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.