Die Reichsangehörigen 
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gebiet weder ausgewiesen noch an das Ausland ausgeliefert werden, 
selbst wenn sie daselbst strafbare Handlungen begangen haben. 
Mit der Freizügigkeit hängt nahe zusammen die A u s w a n d e- I2<> 
rungsfreiheit, welche int Deutschen Reiche nur insofern ein¬ 
geschränkt ist, als Personen in wehrpflichtigem Alter zur Auswande¬ 
rung einer besonderen Erlaubnis bedürfen. Selbstverständlich können 
auch Personen, welche strafgerichtlich verfolgt werden, an der Aus¬ 
wanderung durch Verhaftung gehindert werden.^ 
Den Rechten der Staatsbürger stehen deren Pflichten gegen- >3°' 
über, und zwar in erster Reihe, wie bereits oben (Nr. 7) erwähnt, die 
Pflicht der Achtung und des Gehorsams gegen die 
Gesetze und Anordnungen der Obrigkeit, die 
Pflicht der Hingabe an das öffentliche Wohl und 
der Unterlassung aller Handlungen, welche dasselbe gefährden. An 
besonderen Pflichten sind ferner noch die allgemeine Wehrpflicht, 
die Steuerpflicht, die Schulpflicht und die Pflicht 
zur Uebernahme bürgerlicher Ehrenämter anzu¬ 
führen?^ Im übrigen ist der Umkreis der Pflichten wie der Rechte 
der Staatsbürger durch den Inhalt aller einzelnen Gesetze bestimmt 
und entzieht sich daher hier einer erschöpfenden Aufzählung. 
°° Das Reichsgesetz über das Auswanderungswesen 
(vom Jahre 1897) bezweckt vornehmlich den Schutz der Auswandernden gegen 
Ausbeutung durch ausländische Kolonisationsgesellschaften und durch die 
Auswanderungsunternehmer; es macht daher den Gewerbebetrieb der letz¬ 
teren von einer Konzession abhängig, welche nur für bestimmte Länder und 
Orte vom Reichskanzler unter Zustimmung des Bundesrats erteilt wird. 
Ihr Geschäftsbetrieb, sowie derjenige der Auswanderungsagenten, welcher 
gleichfalls einer besonderen Erlaubnis bedarf, unterliegt der Beaufsichti¬ 
gung; diese erstreckt sich auch auf die Seetüchtigkeit der Auswandererschiffe 
und den Gesundheitszustand der Auswanderer. Zur Durchführung der 
Beaufsichtigung sind in den Hafenstädten besondere Auswanderungs¬ 
behörden eingerichtet; ferner übt in den Hafenplätzen der Reichs¬ 
kanzler die Aussicht über das Auswanderungswesen durch von ihm bestellte 
Kommissare aus. Zur Unterstützung in Fragen des Auswandcrungs- 
wesens ist dem Reichskanzler ein aus sachverständigen Mitgliedern be¬ 
stehender Beirat beigegeben. 
Was die Wahlen zu den gesetzgebenden und sonstigen Körperschaften 
anlangt, so ist zwar in den Gesetzen eine dem aktiven Wahlrecht der 
Staatsbürger entsprechende Wahlpflicht nicht ausdrücklich ausgestellt. 
Zweifellos aber ist die Beteiligung an diesen Wahlen auch für diejenigen, 
welche mit den bestehenden Zuständen im allgemeinen zufrieden sind, eine 
bürgerliche Ehrenpflicht; denn wenn nur die mit den Verhältnissen Unzu> 
stiedenen an den Wahlen teilnehmen, so werden letztere ein durchaus 
falsches Bild liefern, und es wird auf Diesc Weise die staatliche Entwicklung 
in eine Richtung gedrängt, welche dem wirklichen Willen der Mehrheit des 
Volkes nicht entspricht.
	        
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