Contents: Die Kulturverhältnisse des deutschen Mittelalters

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Freundlichkeit zeigen (Tristan 5240 ff.). Es war ihr verboten, die 
Arme lebhaft zu bewegen, beim Sitzen die Beine übereinander zu 
schlagen, einen Mann lange anzusehen, etwas zu berühren, was 
eine Männerhand berührt hatte, beim Gehen sich umzuwenden, 
schnelle oder große Schritte zu machen. Beim Stehen und Sitzen 
mußte sie eine vornehme, gute Haltung einzunehmen verstehen. 
Genaueres enthalten die Lehrbücher jener Zeit, zum Beispiel 
die Winsbekin, der welsche Gast, Freidanks 
Bescheidenheit (vgl. oben S. 114). Doch läßt sich auch 
aus den Volles- und höfischen Epen eine solche An¬ 
standslehre leicht zusammenstellen. — Erfahrung in der Heil¬ 
kunde rühmt Tacitus schon den altgermanischen Frauen nach, 
wenn er (Germ. 7) sagt: „Den Müttern, den Gattinnen bringen 
sie ihre Wunden, und jene zagen nicht, die Streiche zu zählen 
und zu untersuchen.“ In der isländischen Helge-Grimssaga 
(P. .E Müller-Lachmanh, Sagabibliothek 1816, I, S. 63) wird die 
Wundärztin Asgerda erwähnt. Die Heilkunde der Frauen ist im 
„Parzival“ (576 ff.) geschildert. In der Gudrun will Hilde mit 
Hildburg nach dem Kampfe Hagens mit den Hegelingen „des 
Vaters Wunden schauen“, um sie zu heilen. Hagen wollte das 
aber nicht zulassen, sondern ließ sich seine Wunden mit heil¬ 
kräftigen Kräutern, Wurzeln und Salben von Wate belegen; 
dieser hatte die Heilkunst „von einem wilden Weibe“ (Wald¬ 
geist) gelernt. — Der Unterricht in weiblichen Hand¬ 
arbeiten bestand aus dem Weben, Spinnen, Sticken, Schnei¬ 
dern. Als zukünftige Hausfrau mußte die Jungfrau endlich 
lernen, das Gesinde anzustellen und zu beaufsichtigen. 
Mit dem 14. Jahre etwa war die Erziehung vollendet, die 
Jungfrau war nun erwachsen und heiratsfähig. Doch sie durfte 
ihre Ausbildung jetzt keineswegs für abgeschlossen halten. Wie 
der junge Ritter sich nach der Schwertleite bemühte, das hohe 
Ritterideal zu erreichen, so trug die Jungfrau und Frau das 
Bild des F r a u e n i d e a 1 s im Herzen. Solche idealen Frauen¬ 
gestalten waren Kriemhild (im ersten Teil des Liedes), 
Gudrun, Hildegunde (Waltharilied), Herzeloide und 
Ivonduiramur (Parzival), W ealchtheow, die Gattin 
Hrodgars (Beowulf), E n i t e (Hartmann), Blanschef lur, 
in neueren Dichtungen zum Beispiel Irmgard in G. Frey¬ 
tags „Ingo“, Frau Edith im „Nest der Zaunkönige“ (Mutter¬ 
liebe). 
Das Alltagsleben der Frau : Die Frau erhob sich
	        
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