Full text: Das dritte Schuljahr

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den gesamten Unterricht bereits entwickelte und gepflegte Sprachgefühl 
der Kinder zu reinigen, zu glätten und zum Sprachbewußtsein zu 
erheben: dann hat sie für die Volksschule nicht den mindesten Wert. 
Wert hat sie nur dann, wenn sie nicht im vornehmen Gewände mit 
hochtrabenden Worten und schwierigen Erklärungen durch die Schule 
schreitet, sondern in schlichter, einfacher Weise das Sprachgefühl 
der Kinder läutert, ihnen Weisung und Regel giebt, wie in dem oder 
jenem einzelnen Falle richtig gesprochen und geschrieben werden muß, 
und wenn sie so als Mittel zum Sprachzwecke ihre bildende Kraft aus 
eine durchaus praktische Weise bethätigt, d. h. wenn sie für sofortige 
Anwendung und sichere Einübung der aus der lebendigen 
Sprache entwickelten und vom Schüler lebendig erfaßten Sprachgesetze 
sorgt. Ohne die mündliche und vor allem ohne die schriftliche Ein¬ 
übung bis zur größtmöglichsten Sicherheit ist das Volksschulziel 
des grammatischen Unterrichts unerreichbar. Es handelt sich in der 
Volksschule nicht um ein bloßes Wissen grammatischer Regeln, sondern 
um ein Können, d. h. um die Fertigkeit, die hochdeutsche Schrift¬ 
sprache mündlich und schriftlich richtig zu gebrauchen. Jede grammatische 
Lehrstunde muß darum auch zugleich eine Schreibstunde sein. Da¬ 
durch werden die Kinder gleichzeitig in der Orthographie be¬ 
deutend gefördert. 
Die Form des sogenannten angelehnten Unterrichts in der 
Grammatik, bei welcher die grammatischen Belehrungen gelegentlich an 
den Lesestoff angeschlossen wurden, hat sich schlecht genug bewährt; es 
kam nie etwas Rechtes, Ganzes und Geschlossenes dabei heraus, weil es 
an Zusammenhang fehlte und zu vieles dem Zufall überlassen war. 
Der grammatische Unterricht darf auch niemals ein Leitfaden¬ 
unterricht werden. Es ist ein elendes Ding um das Abhaspeln solcher 
Leitfäden, aber am elendesten doch im grammatischen Unterricht. Der 
grammatische Unterricht der Volksschule aller Stufen muß beim Ent¬ 
wickeln einen frischen und raschen Zug haben, Schlag auf Schlag die 
ganze Klasse in Bewegung setzen und in reger Thätigkeit halten. 
Die in dem vorigen Schuljahr erworbene Kenntnis vom Haupt-, 
Zeit- und Eigenschaftswort wird im dritten Schuljahr befestigt und 
erweitert. 
Für die Behandlung gilt, was im „Zweiten Schuljahr" gesagt 
worden ist. —
	        
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