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sich für klug und weise genug hielt, die Stelle eines Oberaufsehers zu
verwalten und sich vielleicht diese Gnade als Belohnung zu erbitten, dazu
war er jetzt nach der jahrelangen Läuterung zu demütig und bescheiden.
Aber gerade deshalb hatte Gott ihn dazu ausersehen. Wie der Bach, den
wir zu Anfang erwähnten, nach Überwindung der Hindernisse für die
Menschen mancherlei Segen bringt, so war auch Joseph dazu bestimmt,
ein Segen zu werden für Ägypten und die umliegenden Länder. Denn
welchen Wunsch spricht Pharao aus? Joseph soll Oberaufseher wer¬
den. Inwiefern zeigt Pharao, daß er die Deutung als einen Finger¬
zeig Gottes ansieht? Er sagte: „Weil Gott dir solches alles kund
gethan hat." Einen solchen „Mann Gottes" will Pharao nicht aus
seinem Hause, aus seinem Lande lassen. Mit welchen Worten setzt er
Joseph über sein Haus? Du sollst über mein Haus sein. Wie
nennen wir einen Mann, dem die Verwaltung eines Hauses oder eines
Gutes übertragen wird? Verwalter, Hofmeister. Welche Ehre für
Joseph, der Hofmeister eines königlichen Hauses zu werden! Doch
noch viel höher soll er steigen. Mit welchen Worten setzt er ihn über
sein Volk? Deinem Worte soll mein ganzes Volk gehorchen. (Reichs-
kanzler.) Wer diesen „Sträfling" Joseph jetzt in diesem Augenblicke
hätte vor Pharao stehen sehen! Niemand hätte geahnt, daß derselbe
Haushofmeister des Königs und der Oberste in ganz Ägypten war.
Doch die Sträflingskleider muß er sofort ablegen und mit der neuen
Würde soll er auch die Ehrenzeichen derselben erhalten. Was ver¬
leiht ihm Pharao? Ring, Kleid, Kette.
Erklärung: 1. Der Ring. Vielleicht habt ihr schon einmal ein amtliches
Schriftstück unseres Magistrates gesehen. Unter demselben habt ihr jedenfalls auch
den Steurpel bemerkt, durch welchen bescheinigt wird, daß wirklich der Magistrat
dieses Schriftstück ausgefertigt hat; denn niemand anders darf einen solchen Stem¬
pel mit der Inschrift unseres Magistrates führen. In früheren Zeiten waren der¬
artige Stempel auf der breiten Platte der Fingerringe angebracht. Man tröpfelte
auf das Schriftstück eine ähnliche Masse wie unser Siegellack und drückte den
Stempel darauf. Diese Ringe nannte man deshalb Siegelringe. Ein solcher
Siegelring war es, welchen der König dem Joseph übergab. Von nun an wollte
der König die amtlichen Schriftstücke nicht mehr untersiegeln, sondern alle Befehle
sollten von Joseph ausgehen.
2. Das Kleid, welches Joseph erhielt, war aus der feinsten, weißen Lein¬
wand gewebt. Derartige Kleider trugen nur die vormehmsten Ägypter, die Priester,
und durch diese Auszeichnung wurde Joseph in die Priesterkaste erhoben.
3. Die Kette, das dritte Geschenk, war eine lange Kette, welche um den
Hals getragen wurde, und galt als Zeichen königlicher Huld und hoher Würde.
(Nach Sperber.)