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Europas galt. Es waren widerwärtige Menschen, von gedrungenem
Wuchs, mit narbigen Gesichtern, in rauhe Tierfelle gehüllt, stets zu
Pferde, wie wenn sie mit dem Tiere zusammengewachsen wären. Auf
dem Pferde aßen, tranken, schliefen sie. Sie nährten sich vom Fleisch
erjagter Tiere, nnd da sie sich zur Speisebereitung des Feuers nicht
bedienten, ritten sie es mürbe. Ihre Weiber und Kinder lebten auf
schwerfälligen Wageu. Sie warfeu sich zuerst auf die Ostgoten, die
unter ihrem 110 jährigen König Ermanrich tapfern, aber vergeblichen
Widerstand leisteten und in die Knechtschaft der schlimmen Feinde gerieten.
(Tie Westgoten.) Vou deu wildeu Nachbarn bedroht, baten die
Westgoten den Kaiser Valens um Wohnsitze südlich der Donau. Er
wies ihnen Ländereien in Thracieit an, und 200000 Menschen sollen
sich unter seinen Schntz gestellt haben. Doch die Statthalter des
Kaisers behandelten die Goten ungerecht, bedrückten nnd betrogen sie,
so daß die Germanen die Geduld verloreu und die Waffen gegen ihre
Bedränger erhoben. Da man diese Erhebung dem Kaiser im un¬
günstigsten Lichte darstellte, zog er mit Heeresmacht gegen die Goten,
erlitt aber bei Adrianopel (378) eine Niederlage, die schon damals
ihrer Furchtbarkeit wegen mit der Schlacht bei Caunä verglichen wurde.
Valens selbst lag unter den Toten. Nun waren die Goten Herren
Griechenlands; nur einige feste Städte widerstanden ihnen. Theodosius
wies ihnen neue Sitze an, nahm auch viele in sein Heer auf; nach
seinem Tode aber zogen die Germanen unter Alarich an der Küste
der Adria entlang und machten mehrere Einfülle in Oberitalien. Von
Jllyrien aus bedrohten sie eine Zeitlang beide Reiche; der kluge Minister
des Honorius, Stilicho, wußte sie durch Geld fern zu halten, doch
als er ermordet und auf Veranlassung des bethörten Kaisers die
sremden, in seinem Solde stehenden Krieger meuchlerisch ihrer Weiber
und Kinder beranbt waren, verstärkten diese Scharen das Heer Alarichs,
der zu wiederholten Malen bis Rom vordrang nnd es 410 eroberte.
Als er von dort nach Süditalien zog, starb er und wurde im Flusse
Busento begraben. Sein Nachfolger Atauls führte die Goten nach
Gallien und Spanien, wo sie schon andere Germanenstämme vor¬
fanden: Sueben in Gallicien, Alanen in Susitanien, Vandalen in
Andalusien. Die Goten eroberten Barcelona, zogen aber nach Gallien
zurück und gründeten hier zwischen Garonne und Loire ein Reich, das
nach der Hauptstadt das tolosanische Gotenreich heißt.
(Die Bandalen.) Als der weströmische Statthalter Afrikas
Bonifaeius auf Betrieb seines Gegners Aetius abberufen wurde, rächte
er sich dadurch, daß er die Vandalen nach Afrika hinüberrief. Unter