Full text: Kaiser Friedrich III.

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und wie er heiße. Nach wenigen Tagen erhielt der Vater des 
Kleinen vom Hosmarschallamt des Kronprinzen einen Brief mit 
einer Photographie des hohen Herrn, auf deren Rückseite derselbe 
eigenhändig seinen Namen „Fritz" geschrieben hatte. 
Kaiser Friedrich als Dorfschullehrer. 
Kaiser Friedrich liebte es als Kronprinz, ganz plötzlich in 
der Schule seines Gutes Barnstedt zu erscheinen, in welcher die 
Kinder des Dorfes ohne Unterschied des Geschlechtes in der Kunst 
des Lesens und Schreibens unterrichtet wurden. 
Eines Tages nun kam der hohe Herr wiederum ganz uner¬ 
wartet und traf den Lehrer in großer Bestürzung und Verlegen¬ 
heit, die derselbe vergebens vor dem Kronprinzen zu verbergen 
suchte. Der Ärmste hatte wenige Minuten vorher die Nachricht 
erhalten, seine alte Mutter, eine Predigerwitwe in Schlesien, 
liege im Sterben, er möge eilends nach Hause kommen, doch 
konnte er die Schulstunden ohne Erlaubnis seiner Vorgesetzten 
natürlich nicht aussetzen. Als aber der Kronprinz darauf bestand, 
zu erfahren, welcher Kummer den Lehrer drücke, und dieser tief 
bewegt den voraussichtlichen großen Schmerz mitteilte, sagte der 
hohe Herr in freundlichem, teilnahmsvollem Tone: „Fahren 
Sie sofort nach Hause, ich übernehme die Verantwortung und 
— die Schulstunden, eilen Sie, und gebe Gott, daß Sie Ihre 
Mutter noch lebend antreffen, ich weiß, was einem Sohne die 
Mutter ist." Und kaum hatte der Lehrer das Schulzimmer ver¬ 
lassen, als Kronprinz Friedrich den Säbel abschnallte und an 
Stelle des Lehrers den begonnenen Leseunterricht fortsetzte. Nach 
der Lesestunde hieß es: „Jetzt wollen wir Geographie treiben, 
holt mal den Globus her!" Die Kinder, an das leutselige Wesen 
ihrer Gutsherrschaft gewöhnt, waren keineswegs verschüchtert durch 
ihren neuen Lehrer, und im Chor erhielt der Kronprinz die 
Antwort: „Einen Globus haben wir nicht; der Lehrer nimmt 
immer den großen Gummiball da." Und richtig, der „neue 
Herr Lehrer" nahm denn auch den großen Ball und führte so 
die kleine Schar in die schwierigen Geheimnisse der Erdkunde 
ein. Als aber der beurlaubte Lehrer nach einigen Tagen zurück¬ 
kehrte, strahlte ihm beim Eintritt in die Klasse ein funkelnagel¬ 
neuer Globus entgegen, ein Geschenk dessen, der ihn vertreten
	        
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