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Das Strafverfahren
kräftig erkannte Strafen gnadenweife zu erlassen, zu ermäßigen oder
umzuwandeln, steht nur dem Landesherrn 21 zu. Todesstrafen dürfen
nur vollstreckt werden, nachdem eine Entschließung des Monarchen
ergangen ist, daß er von seinem Begnadigungsrecht keinen Gebrauch
machen wolle.
7. Besondere Verfahrensarten.
a. Strafbefehle, Strafverfügungen und Straf¬
bescheide.
ZZ4 Bei Uebertretungen und bei einer Anzahl leichterer Vergehen
gestattet die Strafprozeßordnung, daß die Strafe (jedoch höchstens
eine Freiheitsstrafe von 6 Wochen oder eine Geldstrafe von 150 M.)
ohne vorherige mündliche Verhandlung auf Antrag der Staats¬
anwaltschaft seitens des Amtsgerichts durch schriftlichen Strafbe¬
fehl festgesetzt werde. Erhebt der Beschuldigte gegen den Strafbe¬
fehl binnen einer Woche Einspruch, so kommt die Sache zur Verhand¬
lung vor dem Schöffengericht, andernfalls wird der Strafbefehl voll¬
streckbar.
315 Ferner können in Preußen die Polizeibehörden wegen der in
ihrem Ortsbezirk verübten Uebertretungen Strafen bis 30 M. Geld¬
strafe, drei Tagen Haft und Einziehung anordnen. Die schriftliche
Strafverfügung ist dem Beschuldigten zuzustellen, der binnen
einer Woche gerichtliche Entscheidung beantragen kann; entweder
geht der Antrag an die Polizeibehörde oder an das Amtsgericht. Die
Strafverfügung kann zurückgenommen werden. Auch Beschwerde an
die vorgesetzte Behörde der Polizei ist zulässig. (Preußisches Gesetz
vom 23. April 1883.)
zz6 Endlich können die preußischen Steuerbehörden bei Zuwiderhand¬
lungen gegen dre Zollgefetze oder gegen direkte Steuern einen
Strafbescheid auf Geldstrafe oder Einziehung dem Beschuldig¬
ten zustellen. Dieser kann binnen einer Woche auf gerichtliche Ent¬
scheidung antragen.
Strafverfügungen und Strafbescheide haben den Vorzug, daß sie,
wenn der Beschuldigte keinen Widerspruch erheben will, rechtskräftig
und vollstreckbar werden, ohne daß die Mühe und die Kosten münd¬
licher Verhandlung der Sache hinzutreten.
b. Die Privatklagen und die Neben klagen.
337 Beleidigungen, Körperverletzungen und unlauterer Wettbewerb
werden, soweit eine Bestrafung dieser Vergehen nur aus Antrag der
21 Dem Kaiser steht das Begnadigungsrecht zu für die vom Reichsgericht in
erster Instanz, insbesondere wegen Hoch- oder Landesverrats ausgesprochenen Strasen,
sowie für die in Elsaß-Lothringen erfolgten Verurteilungen.