insbesondere in Frankreich.
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die bisherigen öffentlichen Kultusanstalten werden aufgelöst.
Als die zukünftigen Träger des Kirchenkultes schuf das Tren¬
nungsgesetz die sogenannten Kultusvereine, die sich aus sämtlichen
in einer Pfarrei wohnhaften Glaubensgenossen zusammensetzen
sollten. Unter Mitwirkung staatlicher Behörden sollte die Ver-
mögensübertragung von den bisherigen, durch das Trennungs¬
gesetz aufgelösten juristischen Personen des Kirchenrechtes usw.
vor sich gehen. j)apst j)ius X. verwarf das Trennungsgesetz in
einem Rundschreiben vom Februar 1.906 (Vehementer nos
esse), verbot die Gründung der Kultusvereine, weil sie in ihrer
demokratischen Zusammensetzung mit den hierarchischen Prin¬
zipien der römischen Kirche nicht in Einklang zu bringen seien.
Somit war das große Kirchenvermögen, namentlich waren auch
die Immobilien, die Gotteshäuser, herrenlos geworden. Der
Staat selbst durfte sich nicht mehr um die Ausübung der Kulte
kümmern. Der versuch mit den Kultusvereinen scheiterte jedoch
sehr bald, so daß die französische Regierung ein Zugeständnis
nach dem anderen machen mußte. Als Errungenschaft des Kultus¬
gesetzes wird aber bezeichnet die Kultusfreiheit und die Kon¬
fessionslosigkeit des Staates. Die Kultusfreiheit als eine Weiter¬
bildung der Gewissensfreiheit gewährt jedermann das Recht,
einen Glauben zu wählen und zu betätigen, welchen er will.
Die Kultusfreiheit ist das Gegenteil von dem Begriff „Staats¬
religion" und gibt jeder religiösen Richtung die Möglichkeit,
mit den gleichen Rechten in die Öffentlichkeit zu treten. Der
Staat hat kein Kultusbudget mehr; die Kirche ist von allen Ge¬
bieten des öffentlichen Lebens verdrängt, die der moderne Staat
für sich allein beansprucht, von dem Gebiete der Wohltätigkeit
und der Schule.
In Deutschland wird neuerdings auch diese Forderung der
Trennung von Staat und Kirche erhoben. Die meisten wissen
nicht, was damit gemeint ist, haben gar keine Vorstellung von
den Schwierigkeiten und machen sich kein Bild von der Durch¬
führbarkeit angesichts der eindrucksvollen und viele Millionen
von Seelen bindenden Macht der katholischen Kirche; die Mög¬
lichkeit eines neuen Kulturkampfes fassen sie ebenfalls nicht ins
Auge. Die Trennung von Staat und Kirche ist übrigens in Deutsch¬
land, wenn auch nur in geringem Umfange und ohne volle Kon¬
sequenz, bereits für einzelne Religionsgesellschaften durchgeführt,
freilich nicht gegenüber den großen christlichen Kirchen. Auf die
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