Full text: Die Gesellschaftskunde, eine notwendige Ergänzung des Geschichtsunterrichts

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zum Weiterlernen gewonnen. Das gilt übrigens nicht bloß in diesem Lehr¬ 
zweige, sondern in allen denjenigen Fächern, welche (bei geeigneten Lehrmitteln) 
in der Anwendungs- und Reproduktionsübung eine ausgedehnte Selbstthätigkeit 
des Schülers gestatten. Was hier von der vierklassigen Schule gesagt ist, trifft 
innerhalb ihres beschränkteren Lehrstoffes mehr oder minder auch bei den 1—3- 
klassigen Schuten zu. Freilich, die Lehrer der mehrstufigen Klassen haben eine 
schwierigere und beschwerlichere Arbeit als ihre Kollegen in den einstufigen; und 
die Schüler dort müssen ihren Kopf mehr anstrengen als ihre gegängelten Mit¬ 
schüler hier, dafür haben sie aber auch in den bezeichneten Fächern einen quali¬ 
tativ bedeutend wertvolleren Lernertrag. Die einfacheren Schulen dürfen daher, falls 
sie ein geeignetes Frageheft besitzen, die Gesellschaftskunde freudig willkommen heißen.*) 
Was sodann die höheren Schulen (Gymnasien, Realschulen u. s. w.) 
betrifft, so hätten dieselben eigentlich am ehesten merken und darauf aufmerksam 
machen sollen, daß der Geschichtsunterricht einer Ergänzung durch die elementare 
Gesellschaftskunde bedürfe. Da ihr Lehrplan aber ohnehin mit vielen Fächern 
und hohen Examen-Anforderungen belastet ist, so werden sie sich vermutlich am 
längsten besinnen, ob sie den „neuen" Lehrgegenstand aufnehmen sollen oder nicht. 
Man kann ihnen das Besinnen nicht verdenken; schließlich werden sie doch wohl 
auf die eine oder die andere Weise Rat schaffen müssen. Es würde sich auch 
wunderlich ausnehmen, wenn die Volksschulen, selbst die einfachsten, die Ge¬ 
sellschaftskunde in ihren Lehrplan einordneten, und dann dieselben ihre Zöglinge 
mit mehr Kenntnis und Verständnis der socialen Verhältnisse ins Leben entlassen 
könnten, als die Gymnasien, Realschulen und höhern Mädchenschulen die ihrigen. 
Wie sehr die elementare Gesellschaftskunde für die Fortbildungsschulen 
und namentlich für die Jünglingsvereine sich empfiehlt, braucht nicht näher 
dargelegt zu werden. 
5. (Unterschied zwischen dem propädeutischen Kursus und dem 
Fach- oder Berufs-Kursus.) Was in den vier Abschnitten des Frageheftes 
zur Sprache kommt, das sind — wie wohl beachtet sein will — nicht Dok¬ 
trinen, nicht sociale Theorien, sondern konkrete Dinge und Verhältnisse, welche 
sinnlich angeschaut werden können, kurz: es sind gesellschaftliche Thatsachen. 
Diese Thatsachen sollen genierst, begrifflich geordnet und auch schon ein wenig 
nach ihrem Zusammenhange erfaßt werden. Wir haben es eben mit der ele¬ 
mentaren oder propädeutischen Gesellschaftskunde zu thun. In der altpestaloz- 
zischen Redeweise würde man dies vielleicht den gesellschaftskundlichen „Anschauungs¬ 
kursus" genannt haben. Erst wenn ein solcher Vorkursus gut absolviert 
ist, wird die Reife erlangt sein, um später mit Verstand und Interesse an die 
Theorien der vier Gebiete herantreten zu können. 
*) Näheres über die leider sehr vernebelte Klassenzahlfrage findet sich in meiner 
Schrift: „Gutachten über die vierklassige und achtklassige Schule. Güters¬ 
loh, C. Bertelsmann, 187 7.
	        
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