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So entstand großer Haß und Neid zwischen den beiden Kö¬
niginnen, die vorher so freundlich mit einander gewesen waren.
Kriemhild ging fort und sprach zu ihren Frauen: „Nun kleidet euch
in die schönsten Kleider, die ihr besitzet, damit ich durch euch ge-
ehret werde." Das thaten die Frauen gern. Auch Kriemhild selbst
schmückte sich, so schön sie es nur vermochte. Mit dreiundvierzig
Jungfrauen, die sie mit an den Rhein gebracht hatte, machte, sie
sich sodann aus, zum Münster zu gehen, vor dem Hause aber standen
wartend Siegfrieds Mannen, um die Königin zum Münster zu
begleiten. Wunder nahm es die Helden, daß die beiden Königinnen
nicht wie sonst gemeinsam gingen, und sie fürchteten Schlimmes.
Als Kriemhild vor das Thor des Münsters kam, stand Brun-
hild mit ihren Frauen und Helden schon da, Kriemhilds Frauen
aber kamen in so reichem Aufputz, daß alle andere Pracht dagegen
wie ein Nichts verschwand. Das hatte Kriemhild so angeordnet,
um Brunhilds Ärger und Verdruß dadurch zu erregen. Als nun
die beiden Königinnen vor dem Münster bei einander standen,
sprach Brunhild: „Stehe nun still, denn nicht soll eine Leibeigene
vor des Königs Weibe in den Tempel gehen." Als Kriemhild das
hörte, ward sie sehr zornig und sprach: „Hättest du lieber ge¬
schwiegen; du solltest dich nicht über andere lustig machen, die du
selbst von meinem Manne im Kampfe überwunden worden bist."
— „Wen meinest du damit?" fragte zornerfüllt König Günthers
Weib. „Dich," sprach Kriemhild; „denn wisse nur, daß es Sieg¬
fried war, der dich bezwang und nicht dein Mann Günther."
Brunhild, ganz außer sich vor Zorn über diese Beschimpfung,
weinte. Kriemhild aber mit ihrem Gefolge ging vor ihr in das
Münster.
Brunhildens Andacht während des Gottesdienstes war gering
und kaum konnte sie das Ende desselben erwarten. Nach dem
Gottesdienste blieb sie mit ihren Frauen vor dem Münster stehen
und sprach: „Ich muß noch mehr von Kriemhild hören über das,
dessen sie mich zeihet. Wenn Siegfried sich wirklich solcher Dinge
gerühmt hätte, so müßte es ihm ans Leben gehen." Als Kriem¬
hild auch herauskam, sprach die Königin zu ihr: „Stehet still
und beweiset mir, was ihr vorhin gesagt habt. Mit euren Reden
habt ihr mir sehr weh gethan." Da sprach Kriemhild: „Hier ist
der goldene Ring, den euch Siegfried von der Hand zog, als er
euch überwältigte." Brunhild aber entgegnete: „Der Ring ist
mir gestohlen worden, und ich will wohl noch erfahren, wer das
gethan hat." Weiter sprach Kriemhild: „Ich bin kein Dieb, und
besser hättest du geschwiegen, denn hier ist auch ' er Gürtel, den
dir mein Mann genommen und den ich jetzt trage." Als Brun¬
hild den Gürtel sah, begann sie zu weinen und sprach: „Rufet mir