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2. Daß Bürgertum. Anfänglich wollten die Bewohner des Landes nicht
in die Städte ziehen. Doch mehr und mehr entstand ein Zudrang dahin, als inan
sah, wie sicher und gut man da lebte. Die einzelnen Handwerker schlossen sich zu
Zünften zusammen und suchten ihre Erzeugnisse immer mehr zu verbessern.
Auf den Märkten flössen die Erzeugnisse von Stadt und Land zusammen, und
es entstand ein reger Austausch. Die Seestädte holten Waren aus fremden
Ländern und beförderten sie überallhin. So trugen Saumtiere die Schätze des
Morgenlandes aus Venedig und Genua durch die Alpenpässe nach Augs¬
burg und Nürnberg. Mit Handel und Gewerbe wuchs die Macht der Städte.
Da sie häufig die Fürsten mit Geld und Truppen unterstützten, so erhielten sie
dafür Rechte und Freiheiten. Um sich gegen die Raubritter zu sichern und die
Land-und Wasserwege gangbar zu erhalten, schlossen sie Städtebündnisse.
Am berühmtesten ist die norddeutsche Hansa mit Lübeck als Haupt. Sie ver¬
fiel nach der Entdeckung Amerikas. — Traurig war das Los der Bauern.
Entweder waren sie leibeigene Knechte oder mußten zahllose Frondienste mir
Hand und Gespann leisten, Zins und Lehn an ihre Grundherren geben.
3. Das Kirchentum. Der Geist des Christentums hatte immer mehr
das deutsche Wesen durchdrungen. Die Kirche hütete die Sitte, schützte die
Bedrängten und pflegte die Bildung. In den Kämpfen zwischen den Kaisern
und Päpsten litt das kirchliche Leben oft durch das Interdikt, durch welches
kirchliche Handlungen und öffentliche Gottesdienste untersagt wurden. Immer
mehr breitete sich das Klosterwesen aus. An allen günstig gelegenen
Punkten entstanden Mönchs- und Nonnenklöster. Sie übten in jenen rohen
Zeiten einen heilsamen Einfluß aus. Die Mönche bauten den Boden an,
unterrichteten das Volk, beschützten die Verfolgten, pflegten Kranke, studierten
die Wissenschaften und übten die Künste.
4. Die Kunst. Unter den Staufern
blühte besonders die Dicht- und Bau.
kunst. Die Minnesänger sangen von edler
Minne oder Liebe, von den Thaten der
Helden, von Wohl und Wehe des Vater¬
landes. Am gewaltigsten und lieblichsten
tönten die Lieder Walthers von der
Vogel weide. Aus Volkssagen und Volks¬
liedern entstanden unsere großen Heldenge¬
dichte „Nibelungenlied" und „Gudrun". Zn
den Städten bildete sich später derMeister-
s a n g aus; die ehrsamen Handwerksmeister
kamen allsonntäglich zusammen, um in
Singschulen ihre Lieder vorzutragen. Der
10. Der Kölner Dom. größte Meistersänger war der Nürnberger
Schuhmacher Hans Sachs.
Der gotische oder deutsche Baustil mit den Spitzbogen entwickelte sich
zur höchsten Blüte. Er suchte in den Bauwerken den deutschen Urwald nach¬
zuahmen, so daß die Tempel gleichsam in Stein erstarrte heilige Haine sind. Die
herrlichsten gotischen Kirchen sind der Dom zu Köln und das Münster zu Straßburg.
5. Die Rechtspflege. Ursprünglich wurden die deutschen Rechte und Ord¬
nungen nur mündlich überliefert, später aufgeschrieben. Den Angeklagten suchte
man durch Folterqualen ein Geständnis zu entlocken. Oft wurde Schuld oder
Unschuld durch ein Gottesurteil, die Feuer-, Wasser- oder Schwertprobe, fest¬
gestellt. Als Unsicherheit und Verbrechen zunahmen, da entstanden die Fern-