Object: Lehr- und Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen

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1809 den Totenkopf und die schwarze Uniform führte und durch 
Theodor Körner vor allen verherrlicht worden ist. Thränen tiefster 
Rührung im Auge sah König Friedrich Wilhelm von seinem Fenster 
in Breslau herab die unübersehbare Reihe von Wagen aus Berlin 
anlangen, von denen ihm die Jünglinge, oft noch eher Knaben zu 
heißen, entgegenjubelten. Der gleiche Kampfesgeist zuckte bis in die 
liefsten Volksschichten hinunter. Bürger und Bauern in Preußen hatten 
so Unsägliches an Bedrückung und Mißhandlung erfahren, daß der 
Ingrimm mit aller Furchtbarkeit losbrach. Die Rekruten in ihren 
blauen Kitteln zogen mit trotzigem, preußischem Soldatengesang an 
französischen Regimentern vorüber, denen es anfing in dem überall 
glühenden Lande unheimlich zu werden. Indessen näherte sich auch 
Kaiser Alexander mit seinem Heere der Stadt Breslau. Am 28. Fe— 
bruar ward zu Kalisch zwischen Preußen und Rußland ein Vertrag 
abgeschlossen, dessen Ziel die Wiederherstellung der Unabhängigkeit 
Europas war. Die Macht, welche Rußland zu Preußens Hilfe herbei— 
führte, war nicht bedeutend, denn es hatte in dem Feldzuge von 1812 
gleichfalls furchtbar gelitten. Preußen bot Rußland mehr, als Ruß— 
land Preußen, aber die deutsche Begeisterung rechnete damals nicht. 
Am 15. März holte Friedrich Wilhelm seinen hohen Gast in Breslau 
ein, unter dem Schall der Glocken, unter dem Jauchzen und Weinen 
eines von den heiligsten Gefühlen der Vaterlandsliebe bewegten Volkes. 
Zwei Tage darauf, am 17. März, erschien der Aufruf Friedrich 
Wilhelms III.: „An mein Volk!“ „So wenig,“ heißt es darin, „für 
mein treues Volk als für Deutsche bedarf es einer Rechenschaft 
über die Ursachen des Krieges, welcher jetzt beginnt. Klar liegen sie 
dem unverblendeten Europa vor Augen. — Brandenburger, Preußen, 
Schlesier, Pommern, Litauer! Ihr wißt, was ihr seit sieben Jahren 
erduldet habt, ihr wißt, was euer trauriges Los ist, wenn wir den 
beginnenden Kampf nicht ehrenvoll enden. Erinnert euch an die Vorzeit, 
an den großen Kurfürsten, an den großen Friedrich! — Selbst kleine 
Völker sind für gleiche Güter gegen mächtige Feinde in den Kampf ge— 
zogen; erinnert euch der heldenmütigen Schweizer und Niederländer! 
Es ist der letzte, entscheidende Kampf, den wir bestehen für unsere Existenz, 
unsere Unabhängigkeit, unsern Wohlstand. Keinen anderen Ausweg 
giebt es als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Unter— 
gang. Auch diesem würdet ihr getrost entgegengehen, um der Ehre 
willen, weil ehrlos der Preuße und der Deussche nicht zu leben ver— 
mag. Allein wir dürfen mit Zuversicht vertrauen, Gott und unser 
fester Wille werden unserer gerechten Sache den Sieg verleihen, mit 
ihm einen sicheren, glorreichen Frieden und Wiederkehr einer glücklichen 
Zeit!“ An demselben Tage verkündigte der König seinem Volke die 
Errichtung einer Landwehr und des Landsturmes für das gesamte 
Preußen. Als Ehrenzeichen für die Tapferen dieses heiligen Krieges 
ward vom König am 10. März, dem Geburtstage der verewigten 
Königin Luise, der Orden des eisernen Kreuzes gestiftet.
	        
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