Full text: Deutsche Bürgerkunde

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Einer größeren Fortentwicklung sind aber die Hirtenvölker 
nicht fähig. Die Kulturvölker beginnen erst mit der Seßhaftig¬ 
keit und der Psiege des Ackerbaues. 
§64. Das Ackerbauvolk. 
Der große Fortschritt, den der Hackbau und die nomadische 
Viehzucht gegen die Jagd bilden, wird noch weit übertroffen 
durch den Übergang eines Volkes zum Ackerbau, der notwendig 
an feste Wohnsitze, Seßhaftigkeit geknüpft ist und die 
Grundlage aller höheren Kultur bildet. 
Auf dieser Stufe hat der Mensch in dem Brotkorn (Ge¬ 
treide, Mais, Buchweizen) ein neues Nahrungsmittel erkannt 
und gelernt, es durch Bearbeitung des Ackers zu gewinnen; er 
ist in der Lage, die Bodenerzeugnisse (Produkte) zu be¬ 
stimmen und durcheigeneAr beitzuvermehren. Daher 
können Ackerbauvölker an viel mehr Stellen der Erde wohnen, sie 
können sich weit mehr verdichten und haben eine gesundere, reich¬ 
lichere und mannigfaltigere Nahrung. Natürlich ist die erste 
Art der Bodenbebauung noch ganz oberflächlich, der Psiug nicht 
selten bloß ein kurzer Pfahl, und die Stämme lösen sich daher 
leicht in einzelne, zerstreute Gemeinden auf. 
Die Seßhaftigkeit hat zur Folge die Errichtung fester 
W o h n st ä t t e n, des Hauses und der Ställe. Damit entstehen 
neue Vermögens-, Eigentums- und Erbrechte; Gemeinde- und 
Privateigentum an Grund und Boden scheiden sich. Heimat¬ 
liebe erwächst in den Gemütern, und als Schutz gegen fremde 
Völker und gewalttätige Volksgenossen bildet sich ein geordnetes, 
geregeltes Gemeinwesen, Gemeinde und Staat, 
heraus. 
Diesen Segen des Ackerbaues drückten die Alten dadurch aus, daß 
sie der Göttin des Landbaucs Demeter zugleich die Einführung der Ge¬ 
setze zuschrieben. (Vgl. Schiller: Das eleusische Fest, Der Spaziergang). 
Die wirtschaftlichen Zustände der Ackerbauvölker und ihre 
Einrichtungen im Rechts- und Staatsleben sind außerordentlich 
verschieden. Zahlreiche Völker, wie die Neger Afrikas, sind noch 
heute nicht über diese Stufe hinausgekommen; auf ihr stehen die 
Germanen, als sie in die Geschichte eintreten, und sie dauert in 
Deutschland bis zum 10. und 11. Jahrhundert, d. h. bis zur 
Städtebildung. 
Die Arbeit ist auf dieser Stufe größer und mannigfaltiger, 
das Leben der Menschen gesicherter, die Gefahr der Übervölkerung 
verringert. 
Die Gesellschaft teilt sich in verschiedene Stände, Freie 
und Unfreie, und in den einzelnen Wirtschaften beginnt eine be-
	        
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