Full text: Deutsche Bürgerkunde

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2. 
Der Zufall hatte die Phönicier auf mehrere Entdeckungen geführt, die 
sie kunstreich zu benutzen wußten, um glänzende, in die Augen fallende 
Waaren zu liefern. Sie erfanden das Glas und die Purpurfarbe; 
auch das kunstreiche Weben der Wolle sollen sie erfunden haben, und 
selbst den ersten Gebrauch der Buchstabenschrift schreibt man ihnen zu. 
Phönicische Kaufleute — erzählt man — welche Salpeter auf ihrem 
Schiffe führten, landeten nicht weit von Sidon am Flusse Belus, an dessen 
Usern ein feiner Kiessand lag. Sie wollten sich hier ein Essen bereiten, 
und da es ihnen an Steinen fehlte, den Kessel über dem Feuer zu erhalten, 
nahmen sie große Stücke von Salpeter aus ihrem Schiffe, legten diese auf 
den Sand und setzten den Kessel darauf. Der Salpeter ward in der Hitze 
flüssig, vermischte sich mit der Asche und dem glühenden Sande, und als die 
Flamme erloschen war, blickte den Ueberraschten eine glasartige Masse ent¬ 
gegen. Das Glas war erfunden, aber man wußte es vorläufig zu nichts An¬ 
derem zu gebrauchen als zu Schmuck und Zierrath. Fenster von Glas kannten 
die Alten nicht, sie hatten blos Vorhänge oder Jalousien. Ihre Trinkgefäße 
waren meist irdene Krüge oder metallene Becher, auch ihre Spiegel waren 
von Metall. Dagegen schmückten sie die Decken und Wände ihrer Zimmer 
mit Glas. Nachher ging die Kunst des Glasmachens zu den Aegyptern über; 
diese verstanden die flüssige Masse durch Blasen zu bilden, ihr dann auf 
einer Drehscheibe die erforderliche Gestalt zu geben oder sie auch nach Be¬ 
lieben zu schneiden. Die Römer erhielten zur Zeit Christi fast all ihr Glas 
aus Aegypten; ein gläserner Becher war aber theurer als ein goldner. 
Ein andermal weidete ein phönieischer Hirt seine Heerde nicht weit 
vom Meeresufer bei Tyrus. Sein Hund hatte die Schale einer Meer¬ 
schnecke zerbissen und kam mit hochroth gefärbter Schnauze zu seinem Herrn 
zurück. Dieser, in der Meinung, der Hund sei verwundet, wischt ihm mit 
einem Knäuel Wolle das vermeintliche Blut ab; da fand sich keine Wunde, 
aber die Wolle hatte die schönste rothe Farbe angenommen. Nun forschte 
der Hirt weiter nach und entdeckte die zerbissene Schnecke, welche die echte 
Purpurschnecke war. Bald wurde der lyrische Purpur weit und breit 
berühmt und galt für die größte Kostbarkeit, so daß nur Könige und reiche 
Leute ihn tragen konnten. 
Wie viele andere Erfindungen mögen noch von dem betriebsamen ge- 
werblustigen Völkchen ausgegangen sein! Die Rechenkunst wird noch aus¬ 
drücklich als ihre Erfindung ausgegeben, und ihr Handel mußte nothwendig 
darauf sichren. Wie sehr sie in der Baukunst erfahren waren, beweist der 
prachtvolle Tempel in Jerusalem, welchen Salomo durch phönicische Künstler 
ausführen ließ, die ihm sein Freund, der König Hiram, zugeschickt hatte. 
3. 
Durch einen so ausgebreiteten Handel und Verkehr über alle Länder 
und Meere hin waren die Phönicier das reichste und wohlhabendste Volk
	        
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