Full text: Die vorchristliche Kulturwelt (Hauptteil 1)

Die Religion. 
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gestalten, die, als plastische Kunstwerke leider nur teilweise erhalten, noch 
heute die Freude der Gebildeten wachrufen. 
a) Die Entstehung der Welt und der Götter (Kosmogome und Theogonie). 
Aus dem Chaos (formloser Raum oder Urstoff) sonderte sich zunächst 
der Oceänns (Urmeer), dann schieden sich Uranus (Himmel) und Gäa 
(Erde). Von ihnen stammten die Titanen (rohe Naturkräfte), darunter 
Kronos (Zeitgott, d. h. die Sonne als Zeitmesser), vermählt mit der Götter- 
mutter Rhea (oder Kybele), deren Kinder er bis auf das jüngste (Zeus) 
verschlang (ein Abbild der alles vernichtenden Zeit). Kronos entthronte 
mit Hilfe der Titanen seinen Vater Uranus, wurde aber wiederum von 
seinem jüngsten Sohne Zeus gestürzt und samt den Titanen in den finsteren 
Tartarus geworfen, nachdem er vorher gezwungen worden war, auch 
seine übrigen Kinder dem Leben zurückzugeben. Zeus überwand ferner 
die himmelstürmenden Giganten (schlangenfüßige Erdriesen) und 
teilte dann mit seinen Geschwistern (Kroniden) die Herrschaft; er selbst 
erhielt die des Himmels, P o s e i d o n die des Meeres, Hades die der 
Unterwelt. Dementsprechend unterschied man auch die oberen oder himm¬ 
lischen Götter (oi ävio oder oi ovqüviol), die Wassergottheiten (oi Saldo- 
(uol) und die unteren oder Erdgötter (oi xdrco oder oi %9-öviol). Die 
mächtigsten von ihnen bildeten in der späteren Mythologie den Olympischen 
Götterrat, in welchem Zeus den Vorsitz führte. 
b) Die zwölf Olympischen Götter. 
1. Zeus (Juppiter), der „Vater" der Götter und Menschen (rtav- 
Sqcov te ösiov te); an seine ursprüngliche Bedeutung als Wettergott erinnert 
derBeiname„derWolkenversammelnde"(^Pe^/e^rtt). Eristder Schutzherr 
des häuslichen und öffentlichen Lebens, Hüter der Eide und Rechte, be- 
sonders des Gastrechtes, und entscheidet im Kriege. Heilig sind ihm unter 
den Vögeln der Adler, unter den Bäumen die Eiche, weil diese erfahrungs- 
gemäß am häufigsten vom Blitze getroffen wird. Seinen Willen gibt der 
Gott durch Blitz und Donner kund; auch aus dem Fluge der Vögel kann 
man ihn erkennen. 
Ein altehrwürdiges Heiligtum des Zeus, das zugleich als Orakelstätte diente, 
befand sich zu D o d o n a in Epirus, ein weiteres zuOlymPiain Elis; hier 
stand auch die berühmte von Phidias geschaffene Zeusstatue, die den Gott als 
König auf dem Throne sitzend darstellte, voll Würde und Erhabenheit, wie er 
Ilias I, 528—580 geschildert ist. Von plastischen Darstellungen besitzen wir die 
sog. Büste (Zeusmaske) von Otricöli (im Vatikan zu Rom). 
2. Hera (Juno), bald als Schwester, bald als Gemahlin des Zeus 
aufgefaßt; ursprünglich Erd-, dann Himmelsgöttin; Beschützerin der Ehe 
und Familie. Heilig ist ihr der Pfau, dessen „Rad" als Sinnbild des 
Sternenhimmels erscheint. 
Lorenz, Lehrbuch, 4
	        
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