Die Religion.
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gestalten, die, als plastische Kunstwerke leider nur teilweise erhalten, noch
heute die Freude der Gebildeten wachrufen.
a) Die Entstehung der Welt und der Götter (Kosmogome und Theogonie).
Aus dem Chaos (formloser Raum oder Urstoff) sonderte sich zunächst
der Oceänns (Urmeer), dann schieden sich Uranus (Himmel) und Gäa
(Erde). Von ihnen stammten die Titanen (rohe Naturkräfte), darunter
Kronos (Zeitgott, d. h. die Sonne als Zeitmesser), vermählt mit der Götter-
mutter Rhea (oder Kybele), deren Kinder er bis auf das jüngste (Zeus)
verschlang (ein Abbild der alles vernichtenden Zeit). Kronos entthronte
mit Hilfe der Titanen seinen Vater Uranus, wurde aber wiederum von
seinem jüngsten Sohne Zeus gestürzt und samt den Titanen in den finsteren
Tartarus geworfen, nachdem er vorher gezwungen worden war, auch
seine übrigen Kinder dem Leben zurückzugeben. Zeus überwand ferner
die himmelstürmenden Giganten (schlangenfüßige Erdriesen) und
teilte dann mit seinen Geschwistern (Kroniden) die Herrschaft; er selbst
erhielt die des Himmels, P o s e i d o n die des Meeres, Hades die der
Unterwelt. Dementsprechend unterschied man auch die oberen oder himm¬
lischen Götter (oi ävio oder oi ovqüviol), die Wassergottheiten (oi Saldo-
(uol) und die unteren oder Erdgötter (oi xdrco oder oi %9-öviol). Die
mächtigsten von ihnen bildeten in der späteren Mythologie den Olympischen
Götterrat, in welchem Zeus den Vorsitz führte.
b) Die zwölf Olympischen Götter.
1. Zeus (Juppiter), der „Vater" der Götter und Menschen (rtav-
Sqcov te ösiov te); an seine ursprüngliche Bedeutung als Wettergott erinnert
derBeiname„derWolkenversammelnde"(^Pe^/e^rtt). Eristder Schutzherr
des häuslichen und öffentlichen Lebens, Hüter der Eide und Rechte, be-
sonders des Gastrechtes, und entscheidet im Kriege. Heilig sind ihm unter
den Vögeln der Adler, unter den Bäumen die Eiche, weil diese erfahrungs-
gemäß am häufigsten vom Blitze getroffen wird. Seinen Willen gibt der
Gott durch Blitz und Donner kund; auch aus dem Fluge der Vögel kann
man ihn erkennen.
Ein altehrwürdiges Heiligtum des Zeus, das zugleich als Orakelstätte diente,
befand sich zu D o d o n a in Epirus, ein weiteres zuOlymPiain Elis; hier
stand auch die berühmte von Phidias geschaffene Zeusstatue, die den Gott als
König auf dem Throne sitzend darstellte, voll Würde und Erhabenheit, wie er
Ilias I, 528—580 geschildert ist. Von plastischen Darstellungen besitzen wir die
sog. Büste (Zeusmaske) von Otricöli (im Vatikan zu Rom).
2. Hera (Juno), bald als Schwester, bald als Gemahlin des Zeus
aufgefaßt; ursprünglich Erd-, dann Himmelsgöttin; Beschützerin der Ehe
und Familie. Heilig ist ihr der Pfau, dessen „Rad" als Sinnbild des
Sternenhimmels erscheint.
Lorenz, Lehrbuch, 4