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Staat eine starke Selbsthilfe zu ihrer Hebung unerläßlich ist.
Rnfangs glaubten beide mit charitativen Einrichtungen aus¬
kommen zu können- Schultze-Velitzsch beobachtete zuerst und
später Hais seifen, daß es mit Wohltätigkeit nicht getan sei.
Jener errichtete 1850 in Eilenburg, letzterer 1862 in Ruhausen
eine erste Genossenschaft auf Selbsthilfe und Solidarhaft. Raiff¬
eisen wendete sich von vornherein mehr dem Lande zu, Schultze-
Velitzsch den Städten, ohne indes unbedingte Grenzen zu ziehen.
Ihre gemeinsamen Ziele waren: Hebung der mittleren und
einfachen Schichten- besonders Förderung des Personalkredits,
dessen Beschaffung Landwirten und Handwerkern sehr schwer
fällt,- dies durch Selbsthilfe und Solidarität der Interessen.
Daneben standen zunächst große trennende Punkte, die aber
allmählich an Schärfe verloren haben. Schultze hatte im Rüge
umfassende Organisationen, Kredit von Z—6 HTonaten, teilbare
Reservefonds, reine Selbsthilfe. Raiffeisen richtete sich auf kleine
Organisationen wegen der Mitarbeit kleiner Landwirte, lang¬
fristigen Kredit, unteilbare Reservefonds als eisernen Bestand
für die Landwirtschaft, auf Hinzuziehung gewisser Staatshilfe. —
Die Genossenschaften breiteten sich allmählich vom Westen nach
dem Süden und Osten aus. 1859 wurde der allgemeine ver¬
band gegründet, 1877 der Raiffeisenverband, 1885 der verband
landwirtschaftlicher Genossenschaften in Offenbach- aus den bei¬
den letzteren erwuchs 1905 der Reichsverband der deutschen
landwirtschaftlichen Genossenschaften. In Württemberg erstand
die erste Raiffeisenkasse 1880,- 1881 wurde hier der verband
landwirtschaftlicher Genossenschaften gegründet. Vas Reichsgesetz
von 1889 förderte sehr das deutsche Genossenschaftswesen durch
seine klare, energische Ordnung. (Es ließ neben der unbeschränkten
Haftbarkeit leichtere hastarten stärker zu Wort kommen, be¬
sonders die beschränkte Haftbarkeit- es baute Vorstand, Ruf¬
sichtsrat, Generalversammlung der eingetragenen Genossen¬
schaften in Rechten und pflichten aus- eine zweijährige Revi¬
sion wurde eingeführt. Mit den neunziger Jahren setzte eine
gewaltige Entwicklung in Zahl und Gliederung der Genossen¬
schaften und speziell der landwirtschaftlichen ein. Rm 1. Juli
1890 gab es 5006 landwirtschaftliche Genossenschaften in Deutsch¬
land- am 1. Juli 1904 18 509,- am 1. Januar 1915 26 576 mit