180 16. Die belgische Revolution.
b. Trennung Belgiens von Holland 1830.
Erst vier Wochen nach der Juli-Revolution kam die lang ver¬
haltene Aufregung in Brüssel zum Ausbruche, als am Geburtstage
des Königs, 25. August, die damals noch neue Oper „die Stumme
von Portici" aufgeführt wurde, deren Gegenstand der Aufstand des
Masaniello in Neapel (im Jahre 1647) bildet. Jede Stelle, die
der aufgeregten Leidenschaft schmeichelte, ward von dem überfüllten
Hause mit jubelndem Beifalle ausgenommen, und nach dem Schlüsse
der Vorstellung stürzte sich die rasende Menge nach den Wohnungen
des Polizei-Directors und des Justiz-Ministers van Maanen; erstere
wurde demolirt, letztere erst geplündert, dann in Brand gesteckt.
Am 26. August bildete sich eine Nationalgarde, welche die Anarchie
niederhielt; doch am Nachmittage wurde schon über dem Rathhause
die schwarzrothgelbe Fahne von Brabant aufgepflanzt, als das erste
Zeichen des Strebens nach Unabhängigkeit. Während eine Deputa¬
tion der vornehmsten Einwohner Brüssels nach dem Haag reiste,
um den König mündlich zu ersuchen, den Belgiern die längst ge¬
wünschten Concessionen (Entfernung van Maanen's, ein besseres
Wahlsystem, Geschwornengerichte, wie zur französischen Zeit, Ver¬
antwortlichkeit der Minister, Amnestie für die politisch Verurteilten)
zu gewähren, ahmte ganz Belgien das Beispiel der Hauptstadt nach:
allenthalben, besonders in den wallonischen Provinzen, stand das
Volk auf, die Arbeiter zerstörten (namentlich in Verviers) die Ma¬
schinen, verbrannten die Häuser der verhaßten holländischen Beamten
und zogen nach Brüssel, um den Sieg der Revolution entscheiden
zu helfen. Der König wollte nicht furchtsam erscheinen und wies
die Forderungen der Deputation zurück. Zugleich sendete er seine
beiden Söhne nach Belgien: der ältere, Wilhelm von Oranien,
sollte mit seiner bekannten Popularität den Weg der Unterhandlun¬
gen und Versprechungen versuchen, der jüngere aber, Prinz Friedrich,
bei Vilvorde möglichst viele Truppen zusammenziehen. Der Prinz
von Oranien wurde zwar von der Nationalgarde freundlich ausge¬
nommen, aber seine Proclamation von dem mißtrauenden Pöbel
verbrannt. Diese bedenkliche Lage bestimmte ihn, am 3. September
eine legislative und administrative Trennung Belgiens von Holland
anzubieten, so daß beide Länder ihre besonderen Kammern und jedes
ein eigenes Ministerium haben und nur durch Personal-Union der¬
selben Dynastie angehören sollte. Der König, ohne sich damit ein¬
verstanden zu erklären, berief die Generalstaaten nach dem Haag
auf den 13. September; die Thronrede berührte zwar den eigent¬
lichen Zweck der Einberufung der Kammern, die Berathung über die
Trennung Belgiens von Holland, stellte sie aber nicht als eine un¬
vermeidlich gewordene Nothwendigkeit dar. Diese Unentschiedenheit
der Thronrede und der schwerfällige Gang der Verhandlungen er¬
zeugten neues Mißtrauen, und die Belgier glaubten vom Prinzen