Full text: Von deutscher Art und Arbeit (1)

Kulturelle Bedeutung der Technik. 125 
zog, ihr Garn selber spann, hat sie all das, von vereinzelten Ausnahmen 
abgesehen, aufgeben müssen, weil die Fabrik viel billiger und auch viel 
besser arbeiten kann, als es im Einzelhaushalt möglich ist. Aus den 
einfachen Apparaten, mit denen man im Hause arbeitet, sind komplizierte 
Maschinenanlagen geworden, die aber, in ihrer Arbeitsweise von der 
einzelnen Menschenhand unabhängig, ein gleichmäßiges gutes Erzeugnis 
liefern und infolge des ununterbrochenen Betriebes, also guter Zeitaus— 
nutzung, auch ungleich billigere Ware herstellen können. 
Die Eisenbahnen haben den Landstraßen ihre Bedeutung für den Verkehr 
auf große Entfernungen völlig genommen, bis jetzt ein allermodernstes 
Fahrzeug, das Automobil, allerdings vorerst nur für den Personenver— 
kehr wieder zur Landstraße zurückgekehrt ist. Hier liegt der gewaltige 
Fortschritt darin, daß der schnellfahrende Wagen nicht mehr an die 
eisernen Schienen gebunden ist, daß auch noch nicht an das Eisenbahn— 
netz angeschlossene Orte sich ohne das große Kapital, was die Bahn 
erfordert, gute Verkehrsverbindung schaffen können. 
Dafür aber ist die Technik auch in den entscheidenden Punkten dadurch be— 
dingt, in welchem Entwicklungs- und Wirtschaftszustande sich die Völker 
befinden, weil die heutigen Leistungen der Technik einerseits einen 
großen Schatz von praktischer Erfahrung und theoretischer Erkenntnis, 
andrerseits aber auch eine Organisation voraussetzen, die nur ein auf 
hoher Kulturstufe stehendes Volk allmählich hervorbringen kann. Ver— 
gleiche die Größe eines Menschen mit der des Ozeandampfers, stelle den 
Sschöpfer und sein Werk nebeneinander, und es wird klar, daß zu diesem 
Riesenwerke das Ineinandergreifen der Arbeit vieler Tausende von 
Menschen nötig ist. Und diese Art Susammenfassung menschlicher Arbeit 
ist etwas durchaus Wesensverschiedenes von der Art, in der vor vier— 
tausend Jahren die Zehntausende von Sklaven die Steine der ägyptischen 
Pyramiden zusammenschleppten, sie ist das Ergebnis einer langen, sorg— 
fältig gesammelte Erfahrungen in sich bergenden Menschheitsentwick— 
lung. Neben dieser Organisation der mitarbeitenden Menschen ist aber 
noch eine weitere Organisation als Vorbedingung unserer Technik nötig. 
Sie ist gegeben durch unsere wirtschaftliche Entwicklung, die zum Ka— 
pitalismus geführt hat. Für jedes technische Arbeiten muß ein Kapital 
da sein, das die Beschaffung der Materialien, Maschinen, Bauplätze und 
nicht zum wenigsten die Bezahlung des Lohnes an alle die Mitarbeiter, 
seien es nun Handwerker oder Ingenieure, ermöglicht (vgl. o. S. 70).
	        
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