146 7. Kunstgewerbe und Architektur.
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artikels und zugleich seine Verbreiterin in alle Gegenden des Lan—
des und über die Grenzen hinaus, brachte nicht nur die Nationen an—
einander, sondern bahnte sich auch im Volke einen Weg in alle Schichten,
nach oben und unten, die sie mit teilnehmen ließ an ihrem mäch—
tigen Getriebe.
Aber ihre Stärke war zugleich auch ihre Schwäche, ihre Größe zugleich
ihre Kleinheit, ihr Segen zugleich ihre Gefahr. Denn mit der inneren
Umwälzung, die sie im deutschen Volke im 19. Jahrhundert herbei—
führte, vergrößerte sie die Scheidung zwischen Keich und Arm und
wandelte die Stellung des einzelnen zu seiner Beschäftigung. Der Hand—
werker wurde vielfach zum Arbeiter. Er wurde ein Teil jener Masse,
wie die Erzeugnisse es auch waren, von denen er selber einen Teil
an der Maschine jahraus, jahrein herstellen mußte; es ging ihn nichts
an, welchem Ganzen er diente. Und indem der Arbeiter das End—
ergebnis seines Wirkens aus dem Auge verlor, entsagte er auch dem
Anrecht auf eine der innigsten und höchsten Freuden des Daseins, auf
die des Schöpfers, der kraft seines Innern aus sich heraus nach eigenem
Geschmacke ein Ding erschafft.
Im Kunstgewerbe trat dieser Mangel deutlich zutage. Ehedem war ein
Möbelstück das Produkt einer oder auch zweier Persönlichkeiten: des
Auftraggebers und des herstellers. Ein Schrank für den Nachbar wurde
nicht ein Schrank wie viele andere, sondern er bekam seine Einrichtung
ganz so, wie eben der Nachbar bestimmte und wünschte; nur drehte
der eigene Sinn Meister Tischlers da und dort einen Schnörkel an,
malte hier und da ein Blümlein oder gleich einen ganzen schönen
bunten Strauß auf die Füllung: das war dann der Schrank des Nach—
bars, den man als solchen kannte. Nun aber hatte sich die Maschine,
die Industrie des Kunstgewerbes bemächtigt, nun war sie zwischen Auf—
trag und Ausführung an Stelle des Kunsthandwerks getreten und suchte
als „Kunstindustrie“ jene Bedürfnisse des Volkes zu erfüllen, so wie es
früher Nachbar Tischler oder Nachbar Schlosser getan hatten. Wie an—
ders geartet war aber die neue Mittelsperson als jene biedern hand—
werksmeister! Die Kunstindustrie dient nicht. Sie bringt. Sie über—
schüttet Stadt und Dorf mit Schränken: alle haben dasselbe Aussehen,
halb den Formen der Baukunst, halb dem Jugendstil entlehnt, mit
schlechtem Holz außen und ganz schlechtem innen. An die Stelle der
Echtheit des Materials tritt die „Imitation“: der handwerker von ehe—