Full text: Von deutscher Art und Arbeit (1)

148 7. Kunstgewerbe und Architektur. 
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wissende unschön, das Schöpfer-Kind aber nun erst vertraut anmutet. 
Im Jahrhundert der technischen Wissenschaften war solches Durch- und 
Umbilden aber nicht möglich. Es fehlte alle Zeit hierzu. Die Technik 
ließ den Volksgeist gar nicht zur Besinnung kommen. Die Kunstindustrie 
bedurfte in rascher Folge immer neuer Formen. Die mußten akade— 
mische oder unakademische Künstler erfinden — sie wußten freilich oft 
kaum selbst, für welchen praktischen 3weck — dann wurden sie von 
findigen Fabrikanten zu allem möglichen verwandt, auch wo sie der 
Natur des Materials wie dem Gebrauchszweck der Nutzgegenstände zu— 
wider waren, in Stuck für die häuserfronten, in Blech für Dachbekrö— 
nungen, in Papiermaché für „Wandschmuck“, in holz für Schränke und 
„Vertikos“, in Gips für Wandpaneele — die Form beherrschte den Stoff. 
Und wenn es ein Staubtuchkästchen war oder ein Tintenfaß, warum 
sollte es nicht die Form einer KRitterburg erhalten, da eine Ritterburg 
doch viel schöner ist als ein Staubtuchkästchen oder ein Tintenfaß! 
Das war aber das allerschlimmste, daß man verlernt hatte, einen Ge— 
genstand aus seinem Zweck heraus zu schaffen, und zwar mit Rück— 
sicht auf das Material, daß man eine Arbeitsteilung eingeführt 
hatte, die den Gang vom Stoff bis zum Erzeugnis zehnmal durch— 
schnitt, daß derjenige, der die Entwürfe machte, gar keine Ahnung 
hatte von deren Verwendung und von deren Werdegang aus der Zeich— 
nung heraus zur greifbaren Form! Wie sollte aber der Künstler, da 
man ihn verhinderte, sich in den Zweck der Form zu vertiefen, aus 
diesem Zweck heraus die Form schaffen, die schönheitlich und praktisch 
befriedigte? Die Kunstindustrie diente der Mode. Man wechselte den 
Geschmack wie die Kleidung. Man hatte das Gefühl dafür verloren, 
daß alles Erzeugnis der Kunst ein Ausdruck von innen heraus nach 
außen ist, man hielt Uunst und Kunstgewerbe für einen Luxus, über 
den hinweg man zur Tagesordnung überging, ohne zu begreifen, daß 
in ihm der Kern aller Lebensverständigung, aller Sinnesgemeinschaft 
läge, der Kern jener großen Sprache, die seit Kulturbeginn der erste 
und deutlichste Ausdruck der Volksseele ist. 
Und das Volk wehrte sich nicht? Verlangte nicht heiß und stürmisch 
das angestammte Gut wieder zurück? Nein. Es ward sich des Ver— 
lustes gar nicht bewußt. Es war zu sehr vom Staunen ergriffen über 
den dampfenden und brausenden Siegeslauf der Maschine und viel zu 
sehr selbst auch mit der Arbeit beschäftigt, diesen Siegeslauf zu er—
	        
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