376 9. Staatsbürgerliche Bestrebungen.
und Geschenke, durch Preisausschreibungen und Lotterien die RKäufer
angelockt werden. In den an der Spitze der großkapitalistischen Be—
wegung stehenden Ländern wie z. B. in Nordamerika sehen wir bereits
viele derartige Preßunternehmungen rein geschäftlichen Zweckes in einer
und derselben hand vereinigt und zu politischen 3wecken mißbraucht.
fAuch mit Bezug auf die Presse ist schon dann und wann der Gedanke
einer Verstaatlichung aufgetreten, um besonders die reichen Einnahmen
aus dem Anzeigenwesen dem Steuerzwecke dienstbar zu machen; eine
derartige Einrichtung aber würde die Leistungsfähigkeit unserer großen
Zeitungen ganz besonders beeinträchtigen. Die einzig richtige Stellung
des Staates zur Presse ist diejenige der völligen Neutralität und der
weitestgehenden Preßfreiheit. Dabei wird für den Staat selbst die
Presse ein wichtiges hilfsmittel; er bedient sich ihrer in offenkundiger
(offizieller) Weise und mehr noch zu indirekter (offiziöser) Beein—
flussung der öffentlichen Meinung, zumal in auswärtigen Angelegen—
heiten.
Die moderne Entwicklung stellt sehr hohe Anforderungen an den Beruf
des Journalisten. Gleich anderen Berufsarten spezialisiert er sich
immer mehr: heute haben große Zeitungen nicht nur für Politik,
handel, Industrie, Technik, Wissenschaft, Kunst, Literatur, Theater, Mu—
sik usw. verschiedene Redakteure, sondern bereits für die verschiedenen
Fragen der inneren Politik und für die Verhältnisse der verschiedenen
Staaten des Auslandes. Neben der leitenden journalistischen Tätigkeit
bedarf die moderne Presse noch eines gewaltigen Stabes untergeord—
neterer hilfsarbeiter und Berichterstatter Reporter), die gleichfalls mit
besonderen Fähigkeiten für ihren Beruf ausgerüstet sein müͤssen; sie
schickt ihre besonderen Vertreter in ferne Länder, in bewegten
Zeiten auf die Kriegsschauplätze oder als Begleiter wissenschaftlicher
Expeditionen, mutigen und findigen Männern die Gelegenheit zu her⸗
vorragenden Leistungen bietend. Bisher sind die Journalisten meistens
ohne bestimmte Vorbildung, durch Zufall, Neigung, Eignung oder auch
durch Not ihrem Berufe zugeführt worden, wodurch der Stand neben
einer Keihe glänzender Talente auch viele ungeeignete und minder—
wertige Elemente aufweist. Immer dringender macht sich daher die
Forderung einer ganz speziellen wissenschaftlichen und technischen Aus—
bildung geltend, und bereits entstehen an den Universitäten besondere
Lehrstühle für den Journalismus. Auch die Vertreter der Presse tun