Object: [Mittelstufe, [Schülerbd.]] ([Band 2])

ein und wärmte sich die erstarrten Glieder am Ofen, und die Kinder 
gaben ihm zu essen, was sie hatten, und sagten: „Du wirst Wohl 
müde sein. Komm, leg' dich in unser Bettchen! Wir können auf 
der Bank schlafen." Da sagte das fremde Kind: „Dank' es euch 
mein Vater im Himmel!" Sie führten den kleinen Gast in ihr 
Kämmerlein, legten ihn zu Bett, deckten ihn zu und dachten: „O wie 
gut haben wir es doch! Wir haben unsere warme Stube und unser 
Bettchen; das arme Kind aber hat gar nichts als den Himmel zum 
Dach und die Erde zum Lager." Als nun die Eltern zur Ruhe 
gingen, legten sich die Kinder auf die Bank beim Ofen und sagten 
zueinander: „Das fremde Kind wird sich nun freuen, daß es warm 
liegt. Gute Nacht!" 
Die guten Kinder schliefen glücklich bis zur Morgendämmerung. 
Da erwachte die kleine Marie und weckte leise ihren Bruder, indem 
sie spracht „Valentin, wach' auf, wach' auf! Höre doch die schöne 
Musik!" Da rieb sich Valentin die Augen und lauschte. Es war 
aber ein wunderbares Klingen und Singen, das sich vor dem Hause 
vernehmen ließ, und wie mit Harfenbegleitung hallte es: 
„Wir grüßen dich mit Harfenklang, 
o heil'ges Kind, und Lobgesang. 
Du liegst in Ruh' in dunkler Nacht; 
wir halten treu bei dir die Wacht. 
Wer dich aufnimmt, wird hoch entzückt; 
o Heil dem Haus, das du beglückt!" 
Das hörten die Kinder, und es befiel sie eine freudige Angst; 
sie traten ans Fenster, um zu schauen, was denn draußen geschähe. 
Im Osten sahen sie das Morgenrot glühen und vor dem Hause viele 
Kinder stehen, die goldene Harfen in Händen hatten und mit silbernen 
Kleidern angetan waren. Als sie noch zum Fenster hinausstarrten, 
berührte sie ein leiser Schlag, und wie sie sich umwandten, sahen sie 
das fremde Kind vor sich stehen, das sprach: „Ich bin das Christ¬ 
kindlein, das in der Welt umherwandelt, um frommen Kindern 
Glück und Freude zu bringen. Ihr habt mich beherbergt diese Nacht, 
indem ihr mich für ein armes Kind hieltet, und ihr sollt nun meinen 
Segen haben." Da trat es hinaus und brach ein Reislein von einem 
Tannenbaume, der am Hause stand, pflanzte es in den Boden und 
sprach: „Das Reislein soll zum Baume werden und soll euch alljähr¬ 
lich Früchte bringen." Und alsbald verschwand es mit den Engeln. 
Das Tannenbäumchen aber schoß empor und ward zum Weihnachts- 
baume; der war behängen mit goldenen Äpfeln und Silbernüsseu 
und blühte alle Jahre einmal. 
kur Internationale 
Schuibuchforschung 
Braunschweig 
Schulbuchbibiiothek
	        
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