S. Das Prinzip der Anschaulichkeit
vor wenigen Tagen stand ich einmal auf einer der
großen Brücken, die bei Bremen über die Weser führen,
und über das Geländer blickend, sah ich hinaus auf den
breiten Strom, der feine Wasser zwischen den Brückenpfeilern
dahinwälzte. Unzählige kleine Wellen bedeckten seine Ober¬
fläche, alle möglichen Dinge mit sich führend, hier schwamm
ein Uork, dort ein abgerissener Baumzweig, hier kam ein
dicker Ulumpen Wellenschaum dahergetrieben, und dort wieder
schaukelte eine leere Flasche, ihren schlanken hals in die
höhe streckend, dem fernen Meere zu. Ls ist ein ewig wechseln¬
des und darum stets reizvolles Bild, das uns die Oberfläche
eines Stromes bietet. Da gibt es Strudel und Gegenströ¬
mungen, da sieht man wirbelnde Wasser, die aus der Tiefe
zu kommen scheinen, und fast bewegungslose Partien.
Uber alle diese anscheinend einander widerstrebenden
Linzelströmungen, sie sind alle doch nur Teile des einen großen
Stromes, der unablässig seinen weg zum letzten Ziele alles
Fließens, dem Meere, findet.
wer über dem Strom, auf der sicheren Brücke, steht und
hinaussieht auf die Wassermassen, der übersieht das Ganze,
der vermag mit einem Blicke die Strombreite abzumessen, der
erkennt auch die eine Hauptroute, die all das Wasser ein¬
schlägt, trotz aller Wirbel und Gegenströmungen und — aller
partiellen Unbeweglichkeit im einzelnen, wenn wir aber als
wassertropfen, als Teile des Ganzen, in der Strommitte
schwämmen, wir würden nicht imstande fein, die hauptrichtung