Die kleine Wohlthäterin.
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Die Vögel im Winter.
Der Winter hat Garten und Feld mit einer dicken Schneedecke
überzogen. Nun sind die armen Vöglein in großer Not. Viele Vögel
haben uns schon im Herbste verlassen, als es kalt wurde; sie sind in
wärmere Länder gezogen, wo jetzt die Sonne so warm scheint, wie
bei uns im Sommer. Mehrere Vögel sind aber bei uns geblieben,
und für diese ist die Not jetzt sehr groß. Würmchen und Körnchen
können sie draußen nicht finden; nun kommen sie in die Dörfer und
Städte und suchen dort ihre Nahrung. Auf Straßen- und Dünger¬
stätten finden sie zuweilen ein wenig Futter. Auch besuchen sie wohl
den Bauer, um zu sehen, ob bei dem Dreschen nicht ein Körnchen
liegen geblieben ist. Aber das reicht für die vielen Vöglein doch nicht
aus. Nur wenige können sich daran sättigen, und die meisten müßten
verhungern, wenn nicht mitleidige Menschen für sie sorgten. Gute
Kinder fegen auf dem Hofe den Schnee weg und streuen den armen
Vöglein Futter hin. Nun stellen sich die Kinder an das Fenster, um
zu sehen, wie die Vöglein die Krümchen aufpicken. Da kommen auch
schon welche herbeigeflogen; andere kommen noch hinzu, um an der
Mahlzeit teilzunehmen. Wie es den armen Vöglein gut schmeckt!
Darüber freuen sich die Kinder. Der liebe Gott und die Eltern
haben auch ihr Wohlgefallen an solchen Kindern, die den armen
Vöglein im Winter Futter streuen.
Die kleine Wohlthäterin.
Es war ein kalter, strenger Winter. Da sammelte die kleine
Minna, die einzige Tochter wohlthätiger Eltern, die Krümchen und
Brosamen, die übrig blieben, und bewahrte sie. Dann ging sie hinaus,
zweimal am Tage, auf den Hof und streute die Krümchen hin. Und
die Vöglein flogen herbei und pickten sie ans. Dem Mädchen aber
zitterten die Hände vor Frost in der bitteren Kälte.
Da belauschten sie die Eltern und freuten sich des lieblichen An¬
blicks und sprachen: „Warum thust du das, Minna?". „Es ist ja
alles mit Eis und Schnee bedeckt," antwortete Minna, „daß die Tierchen
nichts finden können. Nun sind sie arm, darum füttere ich sie, sowie
die reichen Menschen die armen unterstützen und ernähren." Da
sagte der Vater: „Aber du kannst sie ja nicht alle versorgen!" Die
kleine Minna antwortete: „Thun denn nicht alle Kinder in der ganzen
Welt wie ich, so wie ja auch alle reichen Leute die Armen verpflegen?"
Krummacher.