Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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gen, von welchen keine umsonst da sein wird. Wenn also jedesmal 
aus allen diesen Öffnungen ein solcher Faden herausgeht, so ist an 
der Zahl sechstausend nichts auszusetzen, und dann kann man wohl 
begreifen, daß ein solcher Faden, obgleich so fein, doch auch so fest 
sein könne, daß das Thier mit der größten Sicherheit daran auf- und 
absteigen, und sich in Sturm und Wetter darauf verlassen kann. Muß 
man nicht über die Kunst und Geschicklichkeit dieser Geschöpfe staunen. ~ 
wenn man ihnen Lei ihrer stillen und unverdrossenen Arbeit zuschaut, 
und an den großen und weisen Schöpfer denken, der für alles sorgt, 
und solche Wunder in einem so kleinen und unscheinbaren Körper zu 
verbergen weiß? 
Das mag alles gut sein, denkt wohl mancher, wenn sie nur nicht 
giftig wären, und läuft davon oder zertritt sie, wo er eine findet. 
Aber wer sagt denn, daß unsere Spinnen giftig seien? Noch kein 
Mensch ist in unsern Gegenden vergiftet worden. Giebt es nicht hie 
und da Leute, die sie aufs ' Brod streichen und verschlucken? - Wohl 
bekomm's, wem es schmeckt! Auch sonst thun diese Thierlein, die nur 
für die Erhaltung ihres eignen Lebens besorgt sind, keinem Menschen 
etwas zu Leide. Im Gegentheil leisten sie in der Natur einen großen 
Nutzen, den man aber, wie es oft geschieht, nicht hoch anschlägt, weil 
jede einzelne wenig dazu beizutragen scheint. Es ist das Geringste, 
daß sie hie und da einer Stubenfliege den Garaus machen. Für diese 
wäre noch anderer Rath. Aber sie verzehren auch jährlich und täglich 
eine große Anzahl anderer, sehr kleiner Mücklein, die uns durch ihre 
Menge erstaunlich beschwerlich und schädlich werden, und gegen welche 
man sich nicht erwehren könnte, wenn sie überhand nehmen. Sind 
nicht manchmal ganze Ackerfurchen mit Spinnengewebe überzogen und 
glänzen im Morgenthau? Da geht manches Mücklein zu Grunde, 
das die aufkeimende Saat vielleicht angegriffen und verletzt hätte. 
Ein Gefangener machte einst in seinem einsamen Kerker eine Spinne 
so zahm, daß sie seine Stimme kannte und allemäl kam, wenn er sie 
lockte und etwas für sie hatte. Sie verkürzte ihm an einem Orte, wo 
kein Freund zu ihm kommen konnte, manche traurige Stunde. Aber 
als der Kerkermeister cs merkte, brachte er sie ums Leben. Was ist 
verabscheuungswürdig? Ein solches Thier, das doch noch einem Un- ' 
glücklichen einiges Vergnügen machen kann, oder ein solcher Mensch, 
der dem Unglücklichen auch dieses Vergnügen mißgönnt und zerstört? 
Ein anderer Gefangener, der sonst nichts zu thun wußte, gab lange 
Zeit auf die Spinnen Acht und merkte, daß sie auch Wetterpropheten 
seien. Bald ließen sie sich sehen und arbeiteten, bald nicht. Einmal 
spannen sie träg, ein andermal hurtig lange Fäden oder kurze, einmal 
näher zusammen, ein andermal weiter auseinander, so oder so, und 
endlich konnte er daran erkennen, was für Wetter kommt, Sturm, Regen 
oder Sonnenschein, anhaltend oder veränderlich. Also auch dazu sind 
sie gut, und wenn Jemand sich verwundet hat und findet geschwind 
Spinnengewebe, das er auf die blutende Wunde legen kann, so ist er
	        
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