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an der eigenen klaren Darstellung der Gedanken die
Klarheit der kin d lich en S p rache zu entzünden. Siehe Ernst
Linde, Die Muttersprache im Elementarunterricht. Leipzig 1891,
Jul. Klinkhardt. 1 Mk.
Denn nicht ausschließlich sollen und dürfen Objekte des Raumes in
das Bereich der Betrachtung gezogen werden, sondern mit und neben diesen
ist auch das die Zeit erfüllende Werden und Leben heranzuziehen. Es
sind kleine wahre oder doch den Schein der Wahrheit an sich tragende
Begebenheiten aus dem Kinder-, Tier- und Pflanzenleben, soweit
sich dies in der kindlichen Interessensphäre abspielt, heranzuziehen und
kleine Geschichten aus der Gegenwart vor dem inneren Auge der Kinder
vorüberzuführen *).
In den ersten Wochen sind ganze einfache, kurze, recht packende Vor¬
kommnisse in Kinder- und Tierleben zur bloßen Unterhaltung zu erzählen.
Die unmittelbar vorher erlebten sind die besten. Oft genügen einige Sätze.
Man erzähle von einem Knaben, der in einem allen Kindern bekannten
Garten vom Baume fiel —. Von einem Mädchen, das zu schnell lief und
hinfiel, — sich beschmutzte —. Von einem Hunde, der ins Wasser sprang,
um eine Mütze herauszuholen —. Von einem Knaben, der ein Glas
zerbrach oder Geld verlor us>v. usw. Es wird keinem Lehrer schwer fallen,
sich kleine passende Begebenheiten zurecht zu legen oder solche zu erfinden.
Nur dürfen sie nicht gar zu unwahrscheinlich oder zu dumm sein. Später
sind etwas längere, inhaltreichere Erzählungen zu wählen. Nicht jede
Geschichte eignet sich für alle Kinder, aber auch nicht für jeden Lehrer.
Man vermeide die tändelnden, kindischen Geschichten vom dummen Hans,
vom faulen Lieschen, vom ehrlichen Heinrich, vom lügenhaften Peter usw.,
denen die Moral auf die Stirn geschrieben ist, sondern reiche nahrhafte,
kräftige Kost, und biete solche Unterhaltung nur dann, wenn sich das Be¬
dürfnis dazu von selbst einstellt. Zu vieles Erzählen verwöhnt die Kinder,
macht sie schlaff und untauglich zu ernster Tätigkeit. Vernachlässigung
des Erzählens läßt den Unterricht kalt und trocken erscheinen. An guten
Erzählungen für jedes Alter fehlt es jetzt nicht mehr. Wir geben in
diesem Buche und in unserer Neuen Fibel eine ziemlich reiche Auswahl^).
Über die Verwendung von Märchen im Elementarunterrichte haben
sich in den letzten Jahren die Ansichten so ziemlich geklärt. Während vor
1) Vgl.: Die Erzählung und ihre Bedeutung im Unterrichte. Evangelisches
Schulblatt von Dörpfeld, 1887 S. 415.
2) Müller, Marie, Kindeslied—Kinderspiel. Neue Spiele und Lieder usw.
2. sehr verm. Ausl (4. bis 6. Tausends (XVI, 212 S.) Frankfurt a. M., Jägersche
Verlagsbuchhandlung. Kart. 2 Mk. 40 Pf.
Wer noch mehr wünscht, den verweisen wir auf die Werke von F. Hoff-
mann, R. Reinicke, Jul. Sturm, Spamers Kinder st übe; Mütterchen er¬
zählt was, von G. P. Petersen; Meister-Gasser, Was ich meinen Kleinen
lehre und erzähle; Henriette Leidesdorf, Kinderlust in Lied und Spiel;
MarieHertzsch. Dreißig ernste und heitere Geschichten für kleine Kinder. Tony
Schumacher. Gausbergs u. Scharrelmanns Bücher sind hier auch zu er¬
wähnen und zu benutzen, aber mit Auswahl und Vorsicht! Im allgemeinen klingen
sie zwar kindlich und wahr, aber alle gehen inhaltlich und förmlich weit über Kopf
und Herz der Kinder des ersten Schuljahres hinaus.