Full text: Die Unterklasse einer zweiklassigen Volksschule im Lichte der Arbeitsidee

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viel, viel Schnee. Und jetzt — Hört ihr's? — jetzt klingen ein 
paar Schellen, erst ganz, ganz leise, dann immer lauter, jetzt sind 
sie vorbei, und nun wird ihr Klang wieder schivächer, immer feiner! 
Den Huftritt der Pferde im weichen Schnee habt ihr nicht ver¬ 
nehmen können. Über den Wald fliegen ein paar große, schwarze 
Vögel und rufen ihr heiseres Kräh! Kräh! Kräh! Die „Gorng- 
Eve" hat ihren Semmelkorb ganz zugedeckt und rafft die Röcke 
hoch, damit sie besser waten kann. Ihr runzliches Gesicht seht ihr 
kaum, so eingepackt ist's in eine große, rote Haube. Beim „Bläng- 
Wolf" ist „der Kory" mit Pferd und Wagen stecken geblieben. Er¬ 
hebt und zerrt und schiebt, wird rot wie ein Puterhahn dabei und 
— hat sein Wägel endlich wieder frei. Die Lies, die gerade daher¬ 
gestapft kommt, pustend in dem hohen Schnee, fragt: ,,Wo(u) 
fä(i)hrst'n hie?" „Na(ou) Schöiberg!" sagt „der Kory", „willst 
leicht miit!" „Na(on) tä(i)t i halt scho miitfoahr'n!" Gleich dar¬ 
auf sitzt die Lies droben auf dem Schlitten, eingepackt in eine 
warme Pferdedecke. Das Pferd zieht an, die Schellen an seinem 
Halse fangen an zu läuten, und bald fliegt der Schlitten mit den 
beiden durch den Wald. Wie sie an den Kapellenberg kommen, 
verlangt die Lies vom Wagen herunter. Dort ist die Rodelbahn. 
Dort kann sie sich immer gar nicht satt sehen. Auch heute steht sie 
wieder da, macht die Augen ganz, ganz groß und schaut immer¬ 
zu. —!" — Hier mache ich eine Pause und gebe damit das Zeichen, 
daß die Reihe, zu reden, nun an den Kleinen ist. Die fühlen, daß 
die letzten Worte: — und schaut immerzu! heißen sollen: Du 
mußt jetzt erzählen, was die Lies alles schaut. Natürlich kann das 
nur bei solchen Kindern der Fall sein, die von Anfang an daran 
gewöhnt worden sind, nicht allein auf Fragen des Lehrers, son¬ 
dern schon auf knappe Andeutungen hin zu reagieren. So fahren 
denn 10, 12, 20 Händchen in die Höhe, und los geht's: „De 
Schliit'nfoahrer Han weiße Jacken oa ue weiße Kapp'n aff!" 
„Oiner vo de Schliit'nfoahrer iis falsch g'foahrn u in ne Straßen¬ 
gram eijepurzelt, u da(ou) hab'n d'Leit g'lacht!" — „Afferen 
Schliit'n war'n glei drei Mann g'sess'n: Zwai Männer n e Frau 
miitere rot'n Jack'n ue rot'n Kapp'n; die sin ieberen Affschlag 
g'fahrn u da(au) hat ses ewer h(a)o(u)ch in de Höich g'haue!" usw. 
Das siud Antworten aus dem 1. Schuljahr, die ich selbstverständlich 
so nie und nimmer erhalten hätte, wenn meine Kleinen nicht 
wüßten, daß sie reden dürfen, „wie ihnen der Schnabel gewachsen 
ist". — Die Angen haben alle längst wieder offen. Aber das tut 
nichts. Jetzt ist's, trotz des Sommers draußen, Winter um uns 
her! — Ich, fortfahrend: „Das alles hat der Lies tüchtig gefallen. 
Aber auf einmal hat sie angefangen, mit den Füßen zu stampfen, 
und hat die Hände unter die Schürze gesteckt!" Kind: „Da hat
	        
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