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die allgemeine Ausgestaltung des „Hofsystems" des kleineren Besitzers,
wie es für Westfalen charakteristisch ist, wohl erst den letzten Jahr¬
hunderten zugerechnet werden muß; ursprünglich war es nicht den
Germanen, sondern den Kelten zu eigen, und hat auch in größerem
Umfange schon in den Alpen und Boralpen, den früher keltischen
Gebieten seit ältester Zeit bestanden.
Die zunehmende, nicht mehr genügend Nahrung findende Be¬
völkerung, das Nachdrängen anderer Stämme und vielerlei mehr
führen zu den Wanderungen der germanischen Stämme, von denen
die umfangreichsten im 4. und 5. Jahrhundert stattfinden und als
Völkerwanderung bezeichnet werden. Die Ostgermanen waren viel¬
fach im Nomadentum verblieben oder zu ihm zurückgekehrt, ihre
Staatenbilduug (Ost- und Westgoten, Vandalen usw.) blieb ohne
Bestand. Anders ist cs aber bei den Westgermanen, die wirtschaft¬
lich vorwärts schreiten und es zu dauernden Staatsschöpsungen
bringen: das zeigt in erster Linie das Frankenreich.
c) Die Fränkische Monarchie. Während noch zur Zeit
der Wanderungen das Volk zumeist die ausschlaggebende Stellung
hatte, wird es mit der dauernden Seßhaftigkeit der germanischen
Stämme anders: Die königliche Gewalt ist ganz wesentlich vermehrt,
das Volk aus seiner bisherigen Macht zurückgedrängt. Der König
besitzt jetzt die Gerichtshoheit, seine Befehle verlangen unbedingtes
Folgeleisten; nur das Gesetzgebungsrecht fehlte ihm, vielmehr bleiben
die Volksrechte maßgebend (vgl. $ 22 c und § 35 b). Die Volks¬
versammlung besteht als entscheidender staatlicher Faktor nicht mehr,
sondern nur noch als Form der Heeresmusterung. Im einzelnen
gestaltet sich das Königsrecht, wie es sich im Fränkischen Reiche aus¬
bildet, folgendermaßen. Die Königswürde beruht aus der Erblichkeit,
was allerdiugs die Streitigkeiten um die Thronfolge zwischen den
Brüdern und Söhnen des Herrschers nicht ausschloß. Das Bann¬
recht äußert sich als Verordnungs-, Verwaltungs- und Friedensbann,
d. h. der König hat die Befugnis, die Ausführung seiner Befehle
bei Strafe zu erzwingen. Der Friedensbann gewährt Schutz, der
Verordnungsbann umfaßt den Heeres- und Gerichtsbann. Neben
den König tritt an Stelle des früher aus Geburt und Ansehen be¬
ruhenden Adels der Besitz- und Dienstadel, der die Beamtenstellen
bekleidet. Sein Recht beruht aus dem Grundbesitz, der die Ansänge
des Lehnswesens bedeutet ($ 21b). Der Adel übt die Verwaltung
aus, sei es in den Hofämtern, wo die Fäden der Landesverwaltung
zusammenlaufen, sei es als Provinzialbeamte, wo im Amte des
Grasen, der einem mehrere Hundertschaften umfassenden Gau vor¬
stand, die Zivil- und Militärgewalt vereinigt war. Auch im Volks¬
gericht, dessen Sprengel die Hundertschaft bildete, führt der Graf den
Vorsitz, während das Königs- oder Hofgericht, das die Tod oder Ächtung
nach sich ziehenden schweren Fälle beurteilt und als Appellations¬
gericht dient, ganz vom König besetzt wird. Die Dienstpflicht erstreckt