Full text: Staats- und Volkswirtschaftslehre

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[§23] 
Gebiete der gutsherrlichen Verhältnisse, den Städten zur Förderung 
ihrer Handelspolitik, die sich noch ganz in den Bahnen des Mittel¬ 
alters bewegt. So geraten die Landesherrn in eine außerordentliche 
Abhängigkeit vom Ständetum, das sich teilweise als Oligarchie 
gebärdet. Aus die Dauer mußte dies Verhältnis zwischen Landes- 
sürsten und Untertanen unerträglich sein, zumal diese für die Be¬ 
strebungen ihrer Herren aus dem Gebiete der äußeren Politik und 
der wirtschaftlichen Hebung des Landes nur unvollkommenes Ver¬ 
ständnis entgegenbringen, sich bei ihren Entschlüssen oft von persön¬ 
lichen Motiven und kleinlichstem Eigennutz bestimmen ließen. Wohl 
haben auch die Stände — was vielfach verkannt wird — entschiedene 
Verdienste aus'dem Gebiete der Gesetzgebung, Verwaltung und Be¬ 
steuerung, sowie bei der Ausgestaltung der Territorialversassung, 
und bereiten dadurch die beschränkte Monarchie der Gegenwart vor, 
auch stützen sich ihr Widerspruch und ihre Vorschläge nicht selten auf 
bessere Sachkenntnis, als die des Landesherrn. Aber tatkräftige 
Herrscher mußten dahin kommen, die Macht der Stände zu begrenzen 
und zu brechen, sie möglichst ganz aus dem Staatsgetriebe auszu¬ 
schalten. Dem Absolutismus ist dies tatsächlich gelungen, Bresche 
gelegt hat indes das Beamtentum. 
Beamte des Königs und des Landesherrn gab es jederzeit im 
alten Reich, jedoch pflegte dies, um mit einem modernen Wort dies 
Verhältnis zu charakterisieren, keine Lebensstellung und kein Lebens¬ 
berus zu sein. Ein wirkliches, mit Geld bezahltes Berussbeamtentum 
entsteht erst in der Zeit von 1450—1650. Immer notwendiger er¬ 
weist sich eine allgemeine und eine Finanzverwaltung, die Rechnungs¬ 
führung spielt bei Befestigung der Territorialgewalt eine umfassende 
Rolle. Es entsteht nach sranzösisch-burgundischem Vorbilde im An¬ 
schlüsse an die eigene fürstliche Haus- und Domänenverwaltung eine 
regelmäßige Behördenorganisation, die ihre Richtlinien durch die Be¬ 
strebungen des jeweiligen Landesherrn, aber auch durch die sich immer 
mehr befestigende Überlieferung erhält. Zudem werden allmählich 
stehende Heere anstatt der von den Ständen gestellten „Landes- 
desension", einer Art Landmiliz, errichtet, sodaß der Landesherr be¬ 
züglich der Kriegssührung von ihnen unabhängig wird. Diese Tat¬ 
sache, sowie die Geschlossenheit der Verwaltung, das Pflichtgefühl der 
Beamten, welches Ziel, Notwendigkeit und Mittel der für das Ge¬ 
meinwohl unentbehrlichen Unternehmungen erkannt hat, mußte durch 
Sachlichkeit, geistige und militärische Überlegenheit den eifersüchtig auf 
ihre Rechte pochenden, in sich zerfahrenen und den Bestrebungen des 
Landesherrn verständnislos gegenüberstehenden Ständen zum Unter¬ 
gang gereichen. Das Beamtentum durchbricht, wie schon gesagt, die 
bisherige ständische Organisation, und zwar als eine neue gesell¬ 
schaftliche Klasse. Es wird zum Rückgrat der Staatsverwaltung 
und ersetzt das ständische Element, das sich überlebt hatte. Bald 
200 Jahre ernster Schulung mußten vergehen, ehe sich die Unter-
	        
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