Full text: Staats- und Volkswirtschaftslehre

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Wegweiser". Die nach Bedürfnisbefriedigung strebenden Gefühle 
werden zu Trieben. Ganz wie bei jenen ist bei diesen der Nahrungs¬ 
und Fortpflanzungstrieb der ursprünglichste. Aus dem ersteren ent¬ 
wickeln sich der Tätigkeitstrieb, die Freude an der Arbeit und am 
Schaffen, die Freude am Erreichten, die nicht bloß auf Lohn und 
Anerkennung sieht. Es entwickelt sich aber auch aus ihnen die Freude 
an Sitte und Recht und Ordnung, die Freude an der Selbstüber¬ 
windung des eigenen Ich zum Besten des Nächsten. Nicht minder 
gewaltig sind aber auch die Folgen des Fortpflanzungstriebes. Aus 
ihm erwächst die Freude am Dasein, die Freude an Haus und 
Familie mit ihrem stillen Glück, die Freude an Stamm und Vater¬ 
land und nationaler Größe! Selbstgefühl und Selbstbewußtsein, 
Selbstverleugnung und Aufopferungsfähigkeit haben ihre Wurzel in 
jenen beiden Trieben, die aber auch infolge mangelhafter oder trotzig 
zurückgewiesener Leitung zu Genußsucht und Sinnentaumel, zu Roh¬ 
heit und Willkür, zu Verbrechen und Aufruhr führen können. 
Nahrungs- und Fortpflanzungstrieb werden zur Vorbedingung wirt¬ 
schaftlichen Schaffens. Bedeutungsvoll sind jedoch hierfür noch der 
Anerkennungs- und Rivalitätstrieb. Die Anerkennung und die 
Furcht vor Verurteilung seitens der Mitmenschen stacheln ebenso an, 
wie das selbstische Streben, es andern zuvorzutun; Anerkennung und 
Rivalität können zu verhängnisvollster Wirkung führen — sie er¬ 
zeugen mit den Kampf ums Dasein, sie sind aber auch das „Schwung¬ 
rad des Fortschritts". 
All diese Triebe einen sich in wirtschaftlicher Beziehung zum 
Erwerbstrieb. Frühere Zeiten, namentlich das ausgehende 18. Jahr¬ 
hundert, sahen im Eigennutz und in der Selbstsucht die einzige 
Triebfeder wirtschaftlichen Handelns. Indes sind diese nicht gleich¬ 
bedeutend mit dem Erwerbstrieb, der sich erst aus dem Selbst- 
erhaltungs- und Tätigkeitstrieb entwickelt, der sich frei macht von 
dem reinen Selbstinteresse, der sich gebunden fühlt an die Ver¬ 
pflichtungen eines gesellschaftlichen Wesens, das Rücksicht zu nehmen 
hat aus den Nachbar und Mitbürger, aus den Nächsten überhaupt. 
Für einen Menschen mit beschränktem Gesichtskreis oder niedriger 
Gesinnung kann das Selbstinteresse wohl die alleinige Wurzel wirt¬ 
schaftlicher Tätigkeit sein. Bei einem Menschen indes, der sich als 
soziales Wesen fühlt und als ein solches von seinen Mitmenschen 
betrachtet werden will und muß, vermag nur der ein geläutertes, 
sittliches Selbstinteresse darstellende Erwerbssinn maßgebende Be¬ 
deutung zu erlangen. 
Die Triebe des Menschen, die ihn zum wirtschaftlichen Handeln 
führen, finden ihre Berechtigung in den menschlichen Bedürfnissen, 
die den Zweck verfolgen, den Unlustgefühlen Widerstand entgegen¬ 
zusetzen. Die Bedürfnisse des einzelnen haben sich auf Grund seiner 
individuellen Eigenschaften wie seiner natürlichen und gesellschaftlichen 
Umgebung entwickelt. Ein großer Unterschied besteht zwischen dem
	        
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