In Westfalen und Augsburg bildeten sich im 15.' Jahrhundert her¬
vorragende Weberindustrien. Daneben blühten Müllerei und
Brauergewerbe, das Salinenwesen, das Schneider- und Kürschner¬
gewerbe usw.
Seit 1550 ist jedoch ein entschiedener Rückschritt zu verzeichnen,
vor allem durch Verlust auswärtiger Absatzgebiete. Die Hansa ging
zurück; infolge der Entdeckung des Seeweges nach Ostindien trat
Lissabon als Stapelplatz an Stelle von Venedig. Dazu kamen die
Konkurrenz des Auslandes, das billiger fabrizierte, die Streitigkeiten
der Gesellen um Gleichberechtigung innerhalb der Zünfte, die Macht¬
zunahme der Landesherren und manches andere. Während des
30jährigen Krieges gingen weitere Absatzgebiete verloren, es fehlte
an Menschen, — so verschwanden viele örtliche Industrien. Aber
wie Holland für die Landwirtschaft zum Vorbilde wurde, so brachten
die vertriebenen Hugenotten dem deutschen Handwerk neue An¬
regung, am meisten in Brandenburg. Die Seiden-, wie überhaupt
die Weberindustrie, die Lederzubereitung, die Hut-, die Tapeten-, die
Glas-, die Spiegel-, die Papierfabrikation erstanden zu neuem Leben,
ebenso die Goldschmiede-, Gieß-, Uhrmacher- und Emailierkunst u. a. m.
Dazu ließen die Landesfürsten infolge der Lehren des Merkantilis¬
mus dem Gewerbe ihre besondere Fürsorge angedeihen: in Preußen
förderte Friedrich der Große vor allem die Seiden- und Woll-, so¬
wie die schlesische Leinenindustrie. Mit Beginn des 18. Jahrhunderts
nahm neben dem zünftigen Handwerk immer mehr die Manufaktur
zu, d. h. das Verlagssystem und das Fabrikwesen, doch galt sie
immer nur als Ausnahme. Die Fabrik charakterisierte sich weniger
als Verwendung der Maschine, wie durch eine außerordent¬
liche Arbeitszerlegung und „zweckmäßige Verwendung der Arbeits¬
kräfte."
Zweierlei sollte dem Gewerbe im 19. Jahrhundert eine völlige
Umgestaltung geben, nämlich die Gewerbefreiheit und die Dienstbar-
machung der Technik. Hierdurch drang das Kapital ein, und nun¬
mehr kommt der Großbetrieb, der sich vereinzelt seit dem Ausgang
des Mittelalters findet, zur Herrschaft. Die Einfuhr fremder Roh¬
stoffe (Baumwolle, Jute, Mineralien usw.) steigert sich gewaltig, an
Stelle des Organischen (Menschen- und Tierkrast, Holz, Hanf,
Leder usw.) tritt das Anorganische (Dampf, Elektrizität, Eisen,
Chemikalien). Die auf dem Lande noch übliche Eigenproduktion
(Spinnen, Weben, Gerben, Backen) hört zumeist ganz auf. Das
Handwerk wird wesentlich, zeitweise fast ganz zurückgedrängt, — erst
gegenwärtig fängt es an, sich zu erholen. Die einzelnen Industrien
haben sich in umfassendster Weise spezialisiert. In der Möbel¬
tischlerei fertigen einzelne Betriebe nur Stühle, nur Schränke, nur
Tische an, und hier oft auch wieder nur Schreibtische, nur Zier-
tische, nur Eßtische usw. Die Maschinenfabriken erzeugen nur be¬
stimmte Maschinenarten, oft nur Teile davon, und in der Textil-
Clausnitzer, Staats- und Volkswirtschaftslehre. 18